Sonderbericht
Nr.13 2017

Ein einheitliches europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem: Wird die politische Entscheidung jemals Realität?

Über den Bericht: Der Hof beurteilte, ob das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) zweckmäßig konzipiert, umgesetzt und verwaltet wurde. Das ERTMS soll die unterschiedlichen Signalgebungssysteme im europäischen Schienenverkehr durch ein einheitliches System ersetzen, das einen unterbrechungsfreien Zugverkehr durch verschiedene Länder ermöglicht und die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs stärkt. Der Hof stellte fest, dass das ERTMS bislang nur wenig und lückenhaft zum Einsatz kommt, wenngleich sein Konzept zur Verbesserung der Interoperabilität im Allgemeinen vom Eisenbahnsektor nicht infrage gestellt wird. Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen nehmen Investitionen nur zögerlich vor, da sie mit hohen Kosten verbunden sind und sich für sie selbst wirtschaftlich nicht lohnen (beispielsweise in den Mitgliedstaaten, deren nationale Systeme gut funktionieren und noch eine erhebliche Lebensdauer haben). Die EU-Finanzmittel können nur einen begrenzten Teil der Investitionen decken. Der Hof unterbreitet der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und der Eisenbahnagentur der Europäischen Union eine Reihe von Empfehlungen für eine Verbesserung der Einführung und Finanzierung des Systems.

Diese Publikation ist auch in 23 Sprachen und im folgenden Format erhältlich:
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PDF General Report

Zusammenfassung

Über das ERTMS

I

Damit Züge auf einem Schienennetz verkehren können, bedarf es eines Signalgebungssystems, um den Verkehr sicher zu steuern und dafür zu sorgen, dass die Züge sich zu keiner Zeit in die Quere kommen. Allerdings hat jedes europäische Land eigene technische Spezifikationen für diese Signalgebungssysteme, für die Spurweite sowie für Sicherheits- und Elektrizitätsstandards entwickelt. Mittlerweile gibt es EU-weit rund 30 verschiedene Signalgebungssysteme zur Steuerung des Eisenbahnverkehrs, die nicht interoperabel sind.

II

Um dieses Problem zu beheben und zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums beizutragen, begann die europäische Eisenbahnindustrie Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre, ein europäisches Zugsteuerungs-/Zugsicherungs-, Signalgebungs- und Kommunikationssystem – das ERTMS – zu entwickeln. Dessen Einführung als einziges System in Europa wurde von der Europäischen Kommission unterstützt. Das Ziel des ERTMS besteht letztendlich darin, alle bestehenden Signalgebungssysteme in Europa durch ein einheitliches System zu ersetzen, um die Interoperabilität der einzelstaatlichen Schienennetze sowie des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs zu fördern. Durch das ERTMS soll ein gemeinsamer Standard gewährleistet werden, der einen unterbrechungsfreien Zugverkehr durch verschiedene Länder ermöglicht und die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs stärkt.

III

Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der ERTMS-Einführung wurden im Zeitraum 2007-2013 etwa 1,2 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt bereitgestellt. Davon stammten 645 Millionen Euro aus dem Programm für das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) und 570 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung sowie dem Kohäsionsfonds. Für den Zeitraum 2014-2020 wird der Gesamtbetrag auf 2,7 Milliarden Euro geschätzt - 850 Millionen Euro aus der Fazilität “Connecting Europe”, die das TEN-V-Programm abgelöst hat, und ca. 1,9 Milliarden Euro aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds.

Zur Prüfung des Hofes

IV

Um zu bewerten, ob das ERTMS ordnungsgemäß geplant, eingeführt und verwaltet wurde und ob es auf individueller Ebene wirtschaftlich sinnvoll ist, prüfte der Hof,

  • ob das ERTMS fristgerecht und wirksam und auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Planung und Kostenschätzung eingeführt worden war;
  • ob es für die Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen selbst wirtschaftlich sinnvoll erschien;
  • ob EU-Mittel mit Blick auf die ERTMS-Einführung wirksam verwaltet wurden.
V

Der Hof besuchte sechs Mitgliedstaaten: Dänemark, Deutschland, Spanien, Italien, die Niederlande und Polen. Die neun Kernnetzkorridore, auf denen das ERTMS bis 2030 vollständig eingeführt werden muss, befinden sich alle zumindest streckenweise in diesen Mitgliedstaaten. Zudem erstreckte sich die Prüfung auf die Rolle der Kommission bei der Planung, Verwaltung, Einführung und Finanzierung des ERTMS.

Die Feststellungen des Hofes

VI

Bislang kommt das ERTMS in der EU nur wenig und lückenhaft zum Einsatz, wenngleich sein Konzept und die Vision einer Verbesserung der Interoperabilität im Allgemeinen vom Eisenbahnsektor nicht infrage gestellt werden. Der derzeit geringe Grad der ERTMS-Einführung kann vor allem dadurch erklärt werden, dass zahlreiche Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen nur zögerlich in ERTMS-Ausrüstung investieren, da damit hohe Kosten verbunden sind, die sich für viele von ihnen auf individueller Ebene wirtschaftlich nicht lohnen. Durch Finanzmittel der EU kann, selbst wenn sie besser verwaltet und gezielter eingesetzt werden, nur ein begrenzter Teil der Gesamtkosten der Einführung gedeckt werden.

VII

Dies beeinträchtigt nicht nur das Erreichen der für 2030 festgelegten Einführungsziele und die bisherigen Investitionen, sondern auch die Verwirklichung des einheitlichen Eisenbahnraums, eines der wichtigsten politischen Ziele der Kommission. Zudem können sich negative Auswirkungen für die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs im Vergleich zum Straßengüterverkehr ergeben.

VIII

Trotz der strategischen politischen Entscheidung zur Einführung eines einheitlichen Signalgebungssystems in der gesamten EU wurde keine Schätzung der Gesamtkosten vorgenommen, um die erforderliche Finanzierung und deren Quellen zu ermitteln. Die eingeführten rechtlichen Verpflichtungen umfassten weder die Außerbetriebsetzung der nationalen Systeme noch sind sie in allen Fällen auf die Fristen und Prioritäten der EU-Verkehrspolitik abgestimmt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Grad der ERTMS-Einführung in der gesamten EU gering.

IX

Das ERTMS ist ein einheitliches System für zahlreiche Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Es erfordert jedoch kostspielige Investitionen, die denjenigen, die die Kosten zu tragen haben, in der Regel keinen unmittelbaren Nutzen bringen. Kompatibilitätsprobleme zwischen den verschiedenen installierten Versionen sowie die langwierigen Zertifizierungsverfahren wirken sich ebenfalls negativ auf die individuelle wirtschaftliche Rentabilität für Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen aus. Trotz des neuen europäischen Bereitstellungsplans bestehen weiterhin große Herausforderungen für eine erfolgreiche Einführung.

X

Sowohl für streckenseitige als auch für fahrzeugseitige ERTMS-Investitionen steht finanzielle Förderung vonseiten der EU zur Verfügung. Allerdings kann dadurch nur ein begrenzter Teil der Gesamtkosten der Einführung gedeckt werden. Der Großteil der Investitionen muss von einzelnen Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen getätigt werden, die jedoch nicht immer – zumindest nicht sofort – von der Einführung des ERTMS profitieren. Darüber hinaus wurden nicht alle für das ERTMS verfügbaren EU-Finanzmittel letztendlich auch ERTMS-Projekten zugewiesen. Zudem wurde die Förderung nicht immer gezielt eingesetzt.

Die Empfehlungen des Hofes

XI

Der Hof spricht eine Reihe von Empfehlungen zu den folgenden Punkten aus: Bewertung der Gesamtkosten der ERTMS-Einführung, Außerbetriebsetzung der nationalen Signalgebungssysteme, wirtschaftliche Rentabilität für die Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen selbst, Kompatibilität und Stabilität des Systems, Rolle und Ressourcen der ERA, Abstimmung der nationalen Bereitstellungspläne sowie Überwachung und Durchsetzung, Ausschöpfung der EU-Mittel für ERTMS-Projekte und gezielterer Einsatz der EU-Finanzmittel.

Einleitung

Hintergrund

01

Die Mobilität von Gütern und Personen ist ein wesentlicher Bestandteil des EU-Binnenmarktes und eine grundlegende Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und des Dienstleistungssektors in Europa. Sie hat erheblichen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum. Der Schienenverkehr gilt als einer der umweltfreundlichsten Verkehrsträger und wurde von der EU in den vergangenen Jahrzehnten als eine der Säulen der europäischen Verkehrspolitik gefördert.

02

Damit Züge auf einem Schienennetz verkehren können, bedarf es eines Signalgebungssystems, um den Eisenbahnverkehr sicher zu steuern und dafür zu sorgen, dass die Züge sich zu keiner Zeit in die Quere kommen. Diese Systeme bestehen gewöhnlich aus Ausrüstungsteilen, die sowohl an den Gleisen als auch an den Lokomotiven oder ganzen Zügen angebracht sind.

03

Im Laufe der Zeit hat jedes europäische Land eigene technische Spezifikationen für seine Signalgebungssysteme, für die Spurweite sowie für Sicherheits- und Elektrizitätsstandards entwickelt. Dies stellt ein erhebliches Hindernis für die transeuropäische Interoperabilität dar und bringt zusätzliche Kosten und technische Sachzwänge mit sich. Insbesondere gibt es in der Europäischen Union rund 30 Signalgebungssysteme, die nicht interoperabel sind (siehe Anhang I). Folglich müssen Lokomotiven oder Züge, die in mehreren Ländern oder auch innerhalb eines einzigen Landes verkehren, mit verschiedenen nationalen Signalgebungssystemen ausgestattet sein.

04

In einem früheren Bericht über den Schienengüterverkehr1 wies der Hof bereits darauf hin, dass die unterschiedlichen Signalgebungssysteme im Schienennetz der Europäischen Union neben anderen betrieblichen Hindernissen der Interoperabilität im Wege stehen. Zudem stellte der Hof fest, dass die Einführung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS) nur langsam erfolgt. Darüber hinaus waren die Probleme im Zusammenhang mit der Umsetzung von Projekten auf grenzüberschreitenden Abschnitten Gegenstand zweier anderer Berichte des Hofes aus den Jahren 20052 und 20103.

Was ist das ERTMS?

05

Um diese durch unterschiedliche nationale Signalgebungssysteme bedingte Situation zu beheben und zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums beizutragen, begann die europäische Eisenbahnindustrie Ende der 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre, ein europäisches Zugsteuerungs-/Zugsicherungs-, Signalgebungs- und Kommunikationssystem – das ERTMS – zu entwickeln. Dessen Einführung als einziges System in Europa wurde von der Europäischen Kommission unterstützt. Ziel war es letztendlich, alle bestehenden Signalgebungssysteme in Europa durch ein einheitliches System zu ersetzen, um die Interoperabilität der einzelstaatlichen Schienennetze sowie des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs zu fördern. Durch das ERTMS soll ein gemeinsamer Standard gewährleistet werden, der einen unterbrechungsfreien Zugverkehr durch verschiedene Länder ermöglicht und so die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs stärkt.

06

Das ERTMS besteht aus zwei softwaregestützten Teilsystemen: einem streckenseitigen und einem fahrzeugseitigen System. Damit das System funktioniert, müssen sowohl die Infrastruktur als auch der Zug entsprechend ausgerüstet sein4. Das streckenseitige System und das im Fahrzeug installierte System tauschen untereinander Informationen aus (siehe Abbildung 1 und Kasten 1). Dadurch kann die für den Betrieb zulässige Höchstgeschwindigkeit kontinuierlich überwacht werden und der Triebfahrzeugführer erhält mittels Führerraumsignalisierung alle für den Betrieb erforderlichen Informationen. Eine ausführliche Beschreibung des ERTMS-Systems findet sich in Anhang II.

Abbildung 1

Funktionsweise des ERTMS (Anwendungsstufe 1 und 2)

Quelle: Europäischer Rechnungshof.

Kasten 1

Streckenseitige und fahrzeugseitige Komponenten des ERTMS

Streckenseitig: Eine Eurobalise ist ein auf den Schienen angebrachtes passives Gerät, das Daten bezüglich der Infrastruktur wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Positionsbezugspunkte und Steigungen/Gefälle speichert.

Fahrzeugseitig: Schnittstelle Triebfahrzeugführer-Maschine, die Schnittstelle zwischen Triebfahrzeugführer und ERTMS, und Fahrzeugrechner EVC (Euro Vital Computer), eine Einheit, mit der alle übrigen Fahrzeugfunktionen interagieren.

© Société nationale des chemins de fer luxembourgeois – CFL.

07

Die erfolgreiche Einführung des ERTMS hängt von verschiedenen Akteuren ab. Die Kommission ist zwar zuständig für die politischen Aspekte, die sie gemeinsam mit dem Europäischen Koordinator und der Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ERA) umsetzt, das Produkt selbst wird jedoch im Einklang mit Spezifikationen für die Auftragsvergabe und vertraglichen Bedingungen von der verarbeitenden Industrie im Schienenverkehrssektor bereitgestellt. Vor der Inbetriebnahme muss die gesamte Ausrüstung durch benannte Stellen geprüft und zertifiziert und durch einzelstaatliche Sicherheitsbehörden oder die ERA zugelassen werden.

08

Für die physische Einführung müssen sowohl die Infrastrukturbetreiber als auch die Eisenbahnunternehmen Investitionen in das ERTMS tätigen. Die Infrastrukturbetreiber, die gewöhnlich unter dem Dach des für Verkehr und Infrastruktur zuständigen Ministeriums des jeweiligen Mitgliedstaats agieren, müssen die streckenseitige Infrastruktur des ERTMS errichten. Die Eisenbahnunternehmen (einschließlich der Flottenbesitzer), bei denen es sich nach der Liberalisierung des Eisenbahnmarktes in der EU sowohl um öffentliche als auch um private Unternehmen handeln kann, müssen fahrzeugseitig in das ERTMS investieren.

Die Geschichte des ERTMS

09

Das Konzept eines einheitlichen EU-Signalgebungssystems zur Verbesserung der Interoperabilität geht zurück auf das Jahr 1989, als die Eisenbahnindustrie und die Kommission eine Analyse zu Problemen im Bereich der Signalgebung in den EU-Mitgliedstaaten in die Wege leiteten, und hat sich seither kontinuierlich weiterentwickelt, wie in Abbildung 2 zusammengefasst.

Abbildung 2

Die Geschichte des ERTMS im zeitlichen Verlauf

Quelle: Europäischer Rechnungshof.

10

Die ersten Rechtsakte, die diesem Ziel dienten, waren die “Interoperabilitätsrichtlinie” für ein Hochgeschwindigkeitsbahnsystem5 aus dem Jahr 1996 und die Interoperabilitätsrichtlinie für das konventionelle transeuropäische Eisenbahnsystem6 aus dem Jahr 2001. Im Jahr 2004 wurde die Europäische Eisenbahnagentur (ERA)7 mit dem Ziel eingerichtet, die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) zu entwickeln. Im Juli 2005 wurde ein europäischer ERTMS-Koordinator ernannt8. Zwischen 2005 und 2016 unterzeichneten die Kommission (und seit 2008 die ERA) vier Absichtserklärungen mit den Akteuren des Schienenverkehrs mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zu stärken und die ERTMS-Einführung zu beschleunigen.

11

Im Jahr 2009 verabschiedete die Kommission auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen9 einen europäischen Bereitstellungsplan (EDP) für das ERTMS10. Mit dieser Entscheidung wurden detaillierte Vorschriften für die ERTMS-Einführung festgelegt und sechs ERTMS-Korridore sowie einige der wichtigsten europäischen Häfen, Rangieranlagen, Güterterminals und Güterverkehrsräume identifiziert, die mit ERTMS-Anschlüssen versehen werden sollten. Zudem wurden die entsprechenden Zeitpläne - zwischen 2015 und 2020 - festgelegt.

12

Ein weiterer wichtiger Schritt war die Annahme der TEN-V-Leitlinien im Dezember 201311. Gemäß diesen Leitlinien sollte das transeuropäische Verkehrsnetz im Rahmen einer Zwei-Ebenen-Struktur aufgebaut werden, die aus einem Gesamtnetz (123 000 km) und einem darin enthaltenen Kernnetz (66 700 km) besteht. Das Kernnetz wiederum umfasst neun Kernnetzkorridore (51 000 km, die an die im europäischen Bereitstellungsplan aufgeführten ERTMS-Korridore angepasst wurden). In diesen Leitlinien war vorgesehen, das Kernnetz bis 2030 und das Gesamtnetz bis 2050 mit dem ERTMS auszurüsten. Abbildung 3 zeigt die neun Kernnetzkorridore.

Abbildung 3

Karte mit den neun Kernnetzkorridoren

Quelle: Europäische Kommission.

13

Am 30. Januar 2013 nahm die Kommission ihren Vorschlag für das Vierte Eisenbahnpaket zur Vollendung des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums an. Die technische Säule, die im Juni 2016 in Kraft trat, umfasst Elemente, die in direkter Verbindung zum ERTMS stehen, etwa Fragen zur Steuerung des Schienenverkehrs sowie die Stärkung der Rolle der ERA, die ab Mitte 2019 als Systembehörde für das ERTMS12 fungieren wird. Im Januar 2017 wurde schließlich ein neuer europäischer ERTMS-Bereitstellungsplan13 angenommen (siehe auch Ziffern 63 und 67).

Finanzielle Förderung der EU für das ERTMS

14

Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Einführung des ERTMS auf ihren Schienennetzen steht sowohl für streckenseitige als auch für fahrzeugseitige Investitionen finanzielle Förderung vonseiten der EU zur Verfügung. Zwischen 2007 und 2020 wurden aus dem EU-Haushalt für diesen Zweck rund 4 Milliarden Euro bereitgestellt. Die Mittel stammen im Wesentlichen aus zwei Quellen: dem Programm für das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V)14, das für den Zeitraum 2014-2020 durch die Fazilität “Connecting Europe” (CEF)15 ersetzt wurde, und den Fonds der Kohäsionspolitik (dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)16, dem Kohäsionsfonds17 und den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds)18) (siehe Tabelle 1).

Tabelle

Hauptkomponenten der finanziellen Förderung durch die EU im Zeitraum 2007-2020 (Millionen Euro)

Finanzierungsquelle 2007-2013 2014-2020 Kofinanzierungssatz
TEN-V/CEF 645 850 bis zu 50 %
EFRE/Kohäsionsfonds/ESI-Fonds 570 1 900 bis zu 85 %
Insgesamt 1 215 2 750  

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Daten der Europäischen Kommission.

15

Die beiden Hauptquellen der EU-Finanzierung für ERTMS-Projekte werden im Rahmen der direkten oder geteilten Mittelverwaltung verwaltet:

  1. Bei der direkten Mittelverwaltung (TEN-V und CEF) ist die Kommission für die Genehmigung jedes einzelnen Projekts zuständig, das von den Behörden der Mitgliedstaaten eingereicht wird. Für die technische und finanzielle Abwicklung von kofinanzierten Projekten ist die Exekutivagentur für Innovation und Netze (INEA) unter der Aufsicht der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der Europäischen Kommission zuständig.
  2. Bei der geteilten Mitteverwaltung (EFRE und Kohäsionsfonds) werden Projekte in der Regel von den einzelstaatlichen Verwaltungsbehörden ausgewählt. Die Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung der Kommission überprüft und genehmigt den Finanzbeitrag zu Großprojekten, d. h. Projekten, deren förderfähige Gesamtkosten im Zeitraum 2007-2013 über 50 Millionen Euro und im Zeitraum 2014-2020 über 75 Millionen Euro liegen.
16

Aus dem EU-Haushalt werden im Zusammenhang mit dem ERTMS vorwiegend zwei Arten von Projekten kofinanziert: streckenseitige Projekte (Ausstattung der Bahnstrecken mit der notwendigen Ausrüstung) und fahrzeugseitige Projekte (Ausrüstung von Lokomotiven mit ERTMS-Einheiten). Andere Projekte wie Projekte zur Prüfung, Entwicklung von Spezifikationen oder zum Korridorkonzept können ebenfalls förderfähig sein.

17

Darüber hinaus können zusätzlich zu den zuvor genannten Finanzierungsquellen weitere Mittel durch das Gemeinsame Unternehmen Shift2Rail19 bereitgestellt werden, das im Jahr 2014 eingerichtet wurde (siehe Ziffer 65). Dessen Ziel ist es, im Zeitraum 2014-2020 fast eine Milliarde Euro in Forschung und Innovationen zu investieren (450 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt, ergänzt durch 470 Millionen Euro vonseiten der Industrie). ERTMS-Forschungsprojekte sind im Rahmen seiner Aktivitäten förderfähig. Die Europäische Investitionsbank (EIB) vergibt Darlehen und Bürgschaften für die streckenseitige ERTMS-Einführung und den Erwerb neuer, mit ERTMS ausgerüsteter Fahrzeuge.

Prüfungsumfang und Prüfungsansatz

18

Im Rahmen dieser Prüfung bewertete der Hof, ob das ERTMS ordnungsgemäß geplant, eingeführt und verwaltet worden war und ob es auf individueller Ebene wirtschaftlich sinnvoll ist. Dazu wurde untersucht,

  • ob das ERTMS fristgerecht und wirksam und auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Planung und Kostenschätzung eingeführt worden war;
  • ob es für die Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen selbst wirtschaftlich sinnvoll erschien;
  • ob EU-Mittel mit Blick auf die ERTMS-Einführung wirksam verwaltet wurden.
19

Im Rahmen seiner Prüfung besuchte der Hof sechs Mitgliedstaaten: Dänemark, Deutschland, Spanien, Italien, die Niederlande und Polen. Die neun Kernnetzkorridore, auf denen das ERTMS bis 2030 vollständig eingeführt werden muss, befinden sich alle zumindest streckenweise in diesen Mitgliedstaaten. Der Hof befragte die Behörden der Mitgliedstaaten (für Verkehrs- und Infrastrukturinvestitionen zuständige Ministerien, Infrastrukturbetreiber und nationale Sicherheitsbehörden), Schienengüterverkehrsunternehmen und Schienenpersonenverkehrsunternehmen, Flottenbesitzer und andere Akteure (benannte Stellen, verschiedene nationale und europäische Eisenbahnverbände).

20

Darüber hinaus wurde die Rolle der Kommission und der ERA bei der Planung, Verwaltung, Einführung und Finanzierung des ERTMS untersucht. Der Hof befragte die Kommission (Generaldirektion Mobilität und Verkehr, Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung sowie INEA), den europäischen ERTMS-Koordinator und die ERA. Zusätzlich wurden öffentlich verfügbare Informationen zur ERTMS-Einführung außerhalb der EU (z. B. Schweiz) analysiert.

21

Außerdem stützte der Hof seine Bewertung der Planung, Einführung und Verwaltung des ERTMS in der EU und insbesondere in den sechs besuchten Mitgliedstaaten auf die Prüfung einer Stichprobe von 51 von der EU kofinanzierten ERTMS-bezogenen Projekten aus dem Programmplanungszeitraum 2007-2013. Die Kofinanzierungsmittel der EU, die der ERTMS-Komponente dieser Projekte zugewiesen wurden, belaufen sich auf insgesamt rund 540 Millionen Euro; dies entspricht ca. 14 % der für den Zeitraum 2007-2020 geschätzten Gesamtfinanzierung des ERTMS. Von den 51 Projekten bezogen sich 31 Projekte auf streckenseitige Investitionen und 20 Projekte auf fahrzeugseitige Ausrüstung. Anhang III enthält eine Liste der geprüften Projekte.

Bemerkungen

Die ERTMS-Einführung war eine strategische politische Entscheidung und wurde ohne Gesamtkostenschätzung oder geeignete Planung eingeleitet

ERTMS-Konzept wird vom Eisenbahnsektor im Allgemeinen nicht infrage gestellt

22

Trotz der großen Herausforderungen, die in diesem Bericht aufgezeigt werden, stellte der Hof im Zuge seiner Prüfung fest, dass die Idee eines einheitlichen Signalgebungssystems zur Förderung der Interoperabilität und als Rückgrat des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums vom Eisenbahnsektor (Infrastrukturbetreiber, Eisenbahnunternehmen, nationale Sicherheitsbehörden, Lieferanten und sonstige Akteure) im Allgemeinen nicht infrage gestellt wird. Je nach Leistung und Überalterungsgrad der bestehenden nationalen Signalgebungssysteme hat das ERTMS das Potenzial, die Kapazität und Geschwindigkeit des Schienenverkehrs zu verbessern. Wenn es vollständig eingeführt würde, trüge das ERTMS dazu bei, den Schienenverkehr im Einklang mit den Zielen des Weißbuchs von 201120 wettbewerbsfähiger gegenüber anderen Verkehrsträgern zu machen und die EU-Umweltziele zu erreichen.

23

Zusätzlich zu einer verbesserten Interoperabilität ergäben sich je nach Leistung der bestehenden nationalen Signalgebungssysteme und ihrem jeweiligen Überalterungsgrad noch weitere potenzielle Vorteile, nämlich:

  • erhöhte Kapazität: durch das ERTMS lassen sich der Mindestabstand oder die Mindestzeit zwischen gewerblichen Fahrzeugen verringern, sodass auf stark befahrenen Schienenstrecken mehr Züge verkehren können;
  • höhere Geschwindigkeit des gewerblichen Eisenbahnverkehrs;
  • laufende Überwachung der Zuggeschwindigkeit und somit mehr Sicherheit;
  • geringere Instandhaltungskosten für Infrastrukturbetreiber;
  • stärkere Produktharmonisierung und mehr Wettbewerb zwischen den Lieferanten.
24

Der Hof stellte fest, dass das ERTMS in den besuchten Mitgliedstaaten bereits jetzt eine Reihe von Vorteilen für den Infrastrukturbetreiber und/oder die Eisenbahnunternehmen mit sich bringt. In Spanien beispielsweise erbringt das ERTMS in Sachen Geschwindigkeit (300-350 km/h gegenüber 200 km/h) und Kapazität bessere Leistungen als das nationale Signalgebungssystem, insbesondere auf den Pendlerstrecken in den Vororten von Madrid und Barcelona.

25

Darüber hinaus wird das ERTMS in anderen europäischen Ländern außerhalb der EU, etwa in der Schweiz (siehe Kasten 2), sowie in einer Reihe von Ländern weltweit eingeführt, und zwar gewöhnlich ganz ohne Finanzmittel der EU. ERTMS-Investitionen außerhalb Europas machen in Bezug auf Bahnstrecken 59 % und in Bezug auf Bordgeräte 33 % aller ERTMS-Investitionen aus. Anders als in der EU handelt es sich bei Projekten zur ERTMS-Einführung in Drittländern in der Regel um sogenannte “Greenfield Investments” (d. h., es gab zuvor noch kein Signalgebungssystem), die innerhalb eines einzelnen Landes und von einem einzigen Eisenbahnunternehmen getätigt werden. Dies macht die Einführung erheblich leichter.

Kasten 2

ERTMS-Einführung in der Schweiz

Die Schweiz hat einen ehrgeizigen ERTMS-Investitionsplan auf den Weg gebracht, um die Kapazität und Zuggeschwindigkeit auf dem verkehrsreichsten Abschnitt des nationalen Schienennetzes zu erhöhen. Beispielsweise ist die 45 km lange Strecke Mattstetten - Rothrist ein strategischer Engpass für den Verkehr von Bern nach Basel, Zürich und Luzern. Durch Ausrüstung dieses Abschnitts mit ERTMS-Anwendungsstufe 2 konnten die Reisezeit zwischen Zürich und Bern um 15 Minuten (von 70 Minuten auf weniger als eine Stunde) verkürzt, die Taktzeiten zwischen den Zügen auf 110 Sekunden verringert und die Zuggeschwindigkeiten auf 200 km/h erhöht werden.

Die ERTMS-Einführung war eine strategische politische Entscheidung ohne eine Gesamtkostenschätzung

26

Grundlage des Konzepts für das ERTMS als einheitliches Signalgebungssystem in Europa war die in den 1990er-Jahren getroffene strategische politische Entscheidung, einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum zu schaffen. Die erste entsprechende rechtliche Verpflichtung wurde bereits 1996 aufgenommen; es folgten mehrere Rechtsakte, durch die die ERTMS-Einführung sowohl für Hochgeschwindigkeitszüge als auch für konventionelle Züge verpflichtend wurde. Diesen rechtlichen Verpflichtungen lag jedoch keine Gesamtkostenschätzung zugrunde, in der die erforderlichen Finanzmittel und die Finanzierungsquellen bestimmt worden wären21.

27

Erst im Jahr 2015 begann die Kommission, die Kosten der ERTMS-Einführung zu bewerten (siehe Ziffer 47). Diese Schätzung beschränkte sich auf die Ausrüstung und deren Installationskosten und auf die Kernnetzkorridore. Die Kommission nahm keine Bewertung für das gesamte Kernnetz und das Gesamtnetz vor, in denen das ERTMS bis 2030 bzw. 2050 eingeführt werden muss.

28

Der Hof stellte fest, dass sich sowohl die streckenseitige als auch die fahrzeugseitige ERTMS-Einführung (zusammen mit den erforderlichen damit verbundenen Arbeiten22) als kostspieliges Unterfangen erwies. Bei Hochrechnung der Kosten in zwei besuchten Mitgliedstaaten (Dänemark und Niederlande), die sich für eine Einführung des ERTMS auf ihrem gesamten Schienennetz entschieden haben, ergibt sich, dass die Gesamtkosten der ERTMS-Einführung für die Kernnetzkorridore bei bis zu 80 Milliarden Euro bis 2030 bzw. bei bis zu 190 Milliarden Euro bis 2050 (wenn das Gesamtnetz mit ERTMS ausgestattet sein soll) liegen könnten (siehe Ziffer 55). Solche Arbeiten können jedoch auch erforderlich sein, wenn als Ersatz für veraltete Signalgebungsausrüstung andere Systeme als das ERTMS installiert werden oder Instandhaltungsrückstände abgebaut werden. Wegen künftiger technologischer Entwicklungen, Skalenerträgen und eines verstärkten Wettbewerbs zwischen den ERTMS-Lieferanten ist es möglich, dass die Gesamtkosten Im Laufe der Zeit sinken.

Ein Dickicht von rechtlichen Verpflichtungen, Prioritäten und Fristen

29

Im Laufe der vergangenen 20 Jahre wurden in zahlreichen Rechtsdokumenten Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Einführung des ERTMS festgelegt. Auch gab es Versuche, bestimmte Strecken zu priorisieren und differenzierte Fristen festzulegen. Allerdings wurden diese Verpflichtungen, Prioritäten und Fristen nur unzureichend koordiniert, wodurch eine kohärente Einführung des ERTMS erschwert wurde (siehe auch Ziffern 36 und 40).

30

Die Verpflichtung zur Einführung des ERTMS hat ihren Ursprung in Richtlinie 96/48/EG, in der dies als eines der grundlegenden Prinzipien für die Interoperabilität von Hochgeschwindigkeitsstrecken aufgeführt ist. Dasselbe Prinzip wurde für den konventionellen Schienenverkehr in die Richtlinie 2001/16/EG aufgenommen, in der es heißt: “Alle neuen Infrastruktureinrichtungen und alle neuen Fahrzeuge […], die nach der Festlegung kompatibler Zugsteuerungs-, Zugsicherungs- und Signalgebungssysteme gebaut oder entwickelt werden, müssen sich für die Verwendung dieser Systeme eignen.” Die ersten technischen Spezifikationen für die Interoperabilität betreffend das ERTMS, die sowohl für den Hochgeschwindigkeits- als auch für den konventionellen Schienenverkehr verpflichtend sind, wurden im Jahr 2002 rechtsverbindlich; im Anschluss daran folgten technische Änderungen. Des Weiteren wird in dem Beschluss 2012/88/EU23 für alle mit EU-Mitteln finanzierten Eisenbahnprojekte - unabhängig von ihrem Standort - die Installation des ERTMS gefordert. Gemäß der TEN-V-Verordnung (siehe Ziffer 75) müssen neue oder renovierte Strecken selbst dann mit ERTMS ausgerüstet werden, wenn die Frist für die Ausrüstung dieser Strecken 2050 oder darüber hinaus ist.

31

Was die fahrzeugseitige Einführung anbelangt, müssen neue Lokomotiven und sonstige neue Schienenfahrzeuge, die nach dem 1. Januar 2012 in Auftrag gegeben oder nach dem 1. Januar 2015 in Betrieb genommen werden, gemäß dem Beschluss mit ERTMS ausgerüstet sein. Lediglich der Regionalverkehr ist hiervon ausgenommen.

32

Die ersten offiziellen Fristen für die ERTMS-Einführung sind im europäischen Bereitstellungsplan (EDP) von 2009 festgelegt, der auf sechs ERTMS-Korridore beschränkt war. Demnach sollten bis zum 31. Dezember 2015 insgesamt 10 000 Streckenkilometer und bis zum 31. Dezember 2020 insgesamt 25 000 Streckenkilometer mit ERTMS ausgerüstet werden. Zum Jahresende 2016 waren erst rund 4 100 km mit ERTMS ausgestattet (siehe Ziffer 36). Anfang 2017 überarbeitete die Kommission diese Ziele im neuen europäischen Bereitstellungsplan (EDP) und legte über 2015 hinausgehende Fristen fest, die bis 2023 reichten, während die verbleibenden Abschnitte erst nach 2023 ausgerüstet werden sollen, ohne feste und koordinierte Fristen (abgesehen von der allgemeinen Frist von 2030).

33

Darüber hinaus wurden in der TEN-V-Verordnung folgende Fristen für die Ausrüstung mit ERTMS festgelegt: 31. Dezember 2030 für das gesamte Kernnetz mit einer Länge von 66 700 km (einschließlich neun Kernnetzkorridore mit einer Länge von rund 51 000 km) und 31. Dezember 2050 für das Gesamtnetz mit einer Länge von 123 000 km (siehe Tabelle 2). Der Hof stellte fest, dass für die ERTMS-Ausrüstung des Gesamtnetzes bis 2050 keine Zwischenziele für die Überwachung festgelegt wurden. Diese Fristen und die spezifischen Streckenabschnitte, die mit ERTMS ausgerüstet werden sollen, sowie die entsprechenden Ziele können sich noch ändern, da vorgesehen ist, den neu angenommenen europäischen Bereitstellungsplan und die TEN-V-Verordnung bis 2023 zu überarbeiten.

Tabelle 2

Fristen für die ERTMS-Einführung

  Kernnetzkorridore Kernnetz Gesamtnetz1 Gesamtschienennetz der EU
Länge (km) 51 000 66 700 123 000 217 000
Frist 2030 2030 2050 keine Frist

1Das Gesamtnetz umfasst das Kernnetz und die Kernnetzkorridore (siehe Ziffer 12).

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Daten der Europäischen Kommission und der TEN-V-Verordnung (EU) Nr. 1315/2013.

Keine Frist für die Außerbetriebsetzung der derzeitigen nationalen Signalgebungssysteme

34

Die EU-Mitgliedstaaten verfolgen unterschiedliche Strategien für die Einführung des ERTMS auf ihrem Schienennetz. Von den besuchten Mitgliedstaaten hat sich nur Dänemark dazu entschieden, sein derzeitiges nationales Signalgebungssystem - angesichts seiner Mängel und Überalterung - außer Betrieb zu setzen und das ERTMS als einziges Signalgebungssystem auf dem Großteil seines nationalen Schienennetzes einzuführen. Alle anderen besuchten Mitgliedstaaten haben entschieden, das ERTMS als softwaregestütztes Zusatzsystem zu ihren nationalen Signalgebungssystemen einzuführen. Das ist insbesondere dort der Fall, wo die restliche Lebensdauer der Systeme noch 15-20 Jahre beträgt (z. B. in Deutschland).

35

Damit das ERTMS als einheitliches Signalgebungssystem in der EU funktionieren kann, müssen die nationalen Systeme außer Betrieb gesetzt werden. Weder der EDP von 2009 noch der neue EDP enthält eine Strategie für die Außerbetriebsetzung der nationalen Signalgebungssysteme. Zum Zeitpunkt der Prüfung war keine Frist für die Außerbetriebsetzung der nationalen Signalgebungssysteme in den Mitgliedstaaten festgelegt worden. Die Mitgliedstaaten sind jedoch verpflichtet, die Kommission in nationalen Umsetzungsplänen, die ihr im Juli 2017 vorzulegen sind, über ihre jeweiligen Fristen für die Außerbetriebsetzung zu informieren24. Ungeachtet der Herausforderungen, die mit der Einführung einer koordinierten und für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Verpflichtung verbunden sind, wird die langfristige Investitionsplanung der Eisenbahnunternehmen durch das Fehlen solcher Informationen erheblich behindert und auch die ERTMS-Einführung in der gesamten EU nicht beschleunigt.

ERTMS-Einführung bislang begrenzt und lückenhaft

36

Der Vergleich mit den gesetzten Zielen (siehe Ziffer 32) zeigt, dass das ERTMS Ende 2016 auf lediglich 4 121 km der bis 2030 auszurüstenden 51 000 km der Kernnetzkorridore in Betrieb war. Das entspricht gerade einmal ca. 8 % der Kernnetzkorridore. Von den neun Kernnetzkorridoren weist der Rhein-Alpen-Korridor die größten Fortschritte auf: Dort sind bereits 13 % der Strecken ausgerüstet. Die ERTMS-Ausstattung auf den anderen Korridoren liegt zwischen 5 % und 12 % (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4

ERTMS-Ausstattung der Kernnetzkorridore zum Jahresende 2016 (in km)

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage von Daten der Europäischen Kommission.

37

Der Hof vertritt die Auffassung, dass das Erreichen der für 2030 festgelegten Ziele durch diesen geringen Grad der ERTMS-Einführung gefährdet ist. So ist es unwahrscheinlich, dass diese Ziele erreicht werden, und die möglichen Vorteile der Interoperabilität werden in erheblichem Maße beeinträchtigt. Die Kommission muss den jüngst angenommenen EDP aufmerksam weiterverfolgen, da er eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung bildet.

38

Die EU-Mitgliedstaaten weisen einen sehr unterschiedlichen Stand auf, was die ERTMS-Ausstattung der Kernnetzkorridore betrifft (siehe Anhang IV). Von den sechs besuchten Mitgliedstaaten hatten lediglich die Niederlande und Spanien die Ziele erreicht, die im EDP von 2009 für 2015 festgelegt worden waren.

39

Auch in den Fahrzeugen ist der ERTMS-Einsatz in der EU gering. So sind erst rund 2 700 Fahrzeuge, d. h. 10 % der gesamten EU-Flotte, mit ERTMS ausgestattet. Ein Großteil der bereits ausgerüsteten Fahrzeuge gehört zur Hochgeschwindigkeitspassagierflotte, die vornehmlich auf Inlandsmärkten verkehrt.

40

Das ERTMS wird derzeit nur lückenhaft eingesetzt, da viele Streckenabschnitte nicht miteinander verbunden sind (siehe Abbildung 5). Obwohl die Kernnetzkorridore gemäß den politischen Vorgaben der EU den Hauptschwerpunkt für Investitionen bilden sollten, ermittelte der Hof zudem Fälle von einzelnen Strecken außerhalb des Kernnetzes, die nicht mit dem Rest des jeweiligen Netzes oder dem grenzüberschreitenden Abschnitt verbunden sind. Die Kommission ist zwar Initiator des ERTMS-Konzepts, sie hat jedoch keinen genauen Überblick über die gesamte ERTMS-Ausstattung auf europäischer Ebene, da sich ihre Überwachungstätigkeit auf das Kernnetz beschränkt.

Abbildung 5

Lückenhafter ERTMS-Einsatz auf den Kernnetzkorridoren

Quelle: Europäische Kommission.

41

In einigen Fällen stellte der Hof mangelnde Koordination zwischen der streckenseitigen und der fahrzeugseitigen ERTMS-Einführung fest. In Polen beispielsweise wurden die mit ERTMS ausgerüsteten Fahrzeuge zwar erworben, allerdings funktioniert das System de facto nur auf 218 km (von den 3 763 km an Kernnetzkorridoren des Landes), und auf lediglich 89 km dieser Strecke können Züge mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h fahren. In den anderen Fällen verkehren die Züge mit ausgeschaltetem ERTMS, da die übrige streckenseitige Infrastruktur nicht mit ERTMS ausgerüstet ist. In der Praxis erstreckt sich der Einsatz des ERTMS auf gerade einmal 6,5 % pro Tag. In Italien liegt der effektive Einsatz von mit ERTMS ausgerüsteten Zügen zwischen 19 % und 63 % (Zugkilometer) und ist ausschließlich auf Hochgeschwindigkeitsstrecken beschränkt.

Zahlreiche Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen investieren nur zögerlich in das ERTMS, da es sich auf individueller Ebene wirtschaftlich nicht lohnt

Insgesamt positive Wirkung des ERTMS auf EU-Ebene, allerdings erst auf lange Sicht
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Die möglichen Vorteile des ERTMS betreffen im Allgemeinen die Gesellschaft oder den Eisenbahnsektor als Ganzes und nicht unmittelbar die einzelnen Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen. Diese sind es aber, die die Investitionsentscheidung, ob das ERTMS installiert werden soll oder nicht, treffen und die damit verbundenen Kosten tragen müssen.

43

Im Jahr 2016 entwickelte die Kommission in einem sogenannten Business-Case-Bericht zu den neun Kernnetzkorridoren25 ein insgesamt positives wirtschaftliches Szenario für die ERTMS-Einführung auf Ebene der einzelnen Korridore. Aus diesem geht jedoch hervor, dass die potenziellen Vorteile im Allgemeinen erst auf lange Sicht zum Tragen kommen werden. Darüber hinaus lässt diese Analyse keine Schlüsse darauf zu, ob die Vorteile der ERTMS-Einführung die damit verbundenen Kosten für die Infrastrukturbetreiber oder Eisenbahnunternehmen - einzeln oder selbst als Kategorie betrachtet - aufwiegen werden.

Zahlreiche Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen mit unterschiedlichen Bedürfnissen sollen in ein System investieren
44

Auf der Grundlage der geltenden Rechtsvorschriften (siehe Ziffern 30-31) stellt das ERTMS eine verpflichtende Investition für verschiedene Akteure des Schienenverkehrs mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen dar: Infrastrukturbetreiber mit veralteten und leistungsschwachen Signalgebungssystemen, Infrastrukturbetreiber mit relativ neuen und leistungsstarken Signalgebungssystemen, Güterverkehrsbetreiber, Personenverkehrsbetreiber, Betreiber von Hochgeschwindigkeitszügen, internationale und inländische Schienenverkehrsbetreiber und andere. Sie alle sollen im Rahmen derselben verbindlichen Fristen in das ERTMS als einheitliches Signalgebungssystem investieren, wohingegen Investitionen in Schieneninfrastruktur und Fahrzeuge gewöhnlich auf langfristiger Grundlage getätigt werden, da die durchschnittliche Nutzungsdauer rund 30 Jahre beträgt.

45

Die Bereitschaft von Infrastrukturbetreibern, in das ERTMS zu investieren, hängt von ihrer jeweiligen Ausgangssituation ab. Einige Infrastrukturbetreiber verfügen bereits über gut funktionierende und relativ neue Signalgebungssysteme, weshalb sie nur zögerlich in das ERTMS investieren (z. B. in Deutschland), während die Signalgebungssysteme in anderen Mitgliedstaaten allmählich das Ende ihres Lebenszyklus erreichten oder ihre Leistung bezüglich Sicherheit oder Geschwindigkeit nicht länger ausreichend war (z. B. in Dänemark, siehe auch Kasten 3). Den befragten Akteuren zufolge wird die Überalterung der nationalen Signalgebungssysteme letztendlich zu einer allgemeinen Einführung des ERTMS führen; allerdings ist zeitliche Koordinierung ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Einführung (siehe Ziffer 70).

Kasten 3

Zwei Beispiele für ausschlaggebende Faktoren für Infrastrukturbetreiber bei der Entscheidung, ob sie ERTMS einführen oder nicht

In Dänemark wurde 2006 eine Analyse durchgeführt, um zu bewerten, wie möglichst wirksam in das Signalgebungssystem der Staatsbahn reinvestiert werden könnte. Man kam zu dem Schluss, dass das nationale System veraltet sei und bis höchstens 2020 in Betrieb gehalten werden könne. Daher war Dänemark das erste Land in der EU, das sich zur Einführung des ERTMS auf dem gesamten staatseigenen Schienennetz entschied, ohne wieder auf die nationalen Signalgebungssysteme zurückzugreifen.

In Deutschland erscheint die ERTMS-Einführung für die Infrastrukturbetreiber wirtschaftlich nicht sonderlich sinnvoll, da es bereits zwei gut funktionierende Systeme gibt: LZB und PZB. Das LZB-System, das auf Gleiskörpern mit einer Gesamtlänge von 2 600 km installiert ist, ermöglicht es Zügen bereits, mit einer Geschwindigkeit von rund 300 km/h oder auf Strecken mit hoher Verkehrsdichte zu fahren, wenngleich es allmählich das Ende seines Lebenszyklus erreicht, das für etwa 2030 erwartet wird. Auch das PZB-System, das auf konventionellen Gleiskörpern mit einer Gesamtlänge von 32 000 km in Betrieb ist, erzielt nach Ansicht des deutschen Infrastrukturbetreibers gute Ergebnisse in Bezug auf Sicherheit, Kapazität und andere Leistungsindikatoren, und es wird für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen, wenngleich es eine geringere Geschwindigkeit ermöglicht.

46

Was Eisenbahnunternehmen anbelangt, so hängt für sie die Notwendigkeit des ERTMS von der Art ihrer Betriebsabläufe und Geschäftstätigkeit ab. Beispielsweise lassen sich in Bezug auf das ERTMS erhebliche Unterschiede zwischen den Bedürfnissen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr und für den konventionellen Verkehr (insbesondere den Güterverkehr, für den eine Höchstgeschwindigkeit von rund 100 km/h erforderlich ist) feststellen. Zudem gibt es große Unterschiede zwischen Eisenbahnunternehmen, die fast ausschließlich in einem Land tätig sind, und solchen, die im internationalen Güter- und Personenverkehr tätig sind.

ERTMS-Investitionen sind kostspielig

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Erst in den Jahren 2015 und 2016 begann die Kommission, die Kosten der ERTMS-Einführung in zwei Studien zu bewerten26. Diese Bewertung beschränkte sich auf die Kosten für die Ausrüstung und Installation des ERTMS sowie auf die Kernnetzkorridore. Auf der Grundlage dieser Kostenkategorie könnten die Kosten für die streckenseitige Einführung zwischen 100 000 und 350 000 Euro pro Kilometer liegen, d. h. insgesamt zwischen 5 und 18 Milliarden Euro.

48

Für die vollständige streckenseitige Inbetriebnahme des ERTMS beschränken sich die von den Infrastrukturbetreibern zu tragenden Gesamtkosten jedoch nicht auf die Kosten für Ausrüstung und Installation. Vielmehr bringt die Umstellung von einem voll funktionsfähigen nationalen Signalgebungssystem auf ein voll funktionsfähiges ERTMS-System auch Kosten für andere verbundene Arbeiten mit sich. Laut Angaben der Kommission sind diese Arbeiten Voraussetzung für die Einführung, wenngleich sie formal gesehen nicht Teil des ERTMS sind.

49

Die beiden besuchten Mitgliedstaaten (Dänemark und Niederlande), die sich für eine umfangreiche ERTMS-Einführung auf ihrem Schienennetz entschieden haben, haben jeweils einen nationalen ERTMS-Bereitstellungsplan ausgearbeitet und ihr geschätztes Budget erstellt. Auf der Grundlage dieser Schätzungen bewertete der Hof, wie hoch die Investitionen ungefähr sein müssen, um streckenseitig in der gesamten EU ein voll funktionsfähiges ERTMS zu erreichen. Die geschätzten Gesamtkosten umfassen alle erforderlichen Komponenten, z. B. die Erneuerung der Stellwerke, die Konzeption, Überprüfung und Zulassung des Systems, das Projektmanagement, Investitionen im Zusammenhang mit Telekommunikation und Streckenzentralen, die Schulung und Umdisponierung von Personal oder das Migrationsmanagement. Darüber hinaus kann die streckenseitige Einführung des ERTMS als Zusatzsystem weitere Instandhaltungskosten mit sich bringen, bis das nationale System nicht mehr benötigt und außer Betrieb gesetzt wird.

50

In diesen beiden Mitgliedstaaten belaufen sich die Gesamtkosten für die streckenseitige ERTMS-Einführung auf 2,52 Milliarden Euro für 2 132 km bzw. 4,9 Milliarden Euro für 2 886 km bzw. auf Durchschnittskosten in Höhe von 1,44 Millionen Euro pro Streckenkilometer (siehe Einzelheiten hierzu in Anhang V). Mittels linearer Hochrechnung dieser Schätzungen lassen sich die Gesamtkosten für die streckenseitige ERTMS-Einführung auf sämtlichen Kernnetzkorridoren oder dem Gesamtnetz auf 73 bis 177 Milliarden Euro beziffern, je nach Umfang der Einführung (siehe Tabelle 3). Durch technologische Entwicklungen und Skalenerträge könnten sich die Gesamtkosten der ERTMS-Einführung in Zukunft verringern.

51

Zusätzlich zu den Kosten der streckenseitigen ERTMS-Einführung, die von den Infrastrukturbetreibern getragen werden, muss das ERTMS auch in den Lokomotiven installiert werden, was wiederum zulasten der Eisenbahnunternehmen geht. Hier unterscheidet sich die Lage für bestehende Lokomotiven, die nachgerüstet werden müssen, damit sie auf mit ERTMS ausgerüsteten Strecken verkehren können, von der für neue Lokomotiven, bei deren Erwerb das ERTMS bereits fahrzeugseitig installiert ist.

52

Im Falle bestehender Lokomotiven werden in den beiden genannten Studien der Kommission Kosten in Höhe von 375 000 Euro bzw. 550 000 Euro pro Lokomotive genannt. Darin inbegriffen sind die Kosten für die ERTMS-Ausrüstung und -Installation, die Prüfung und Zulassung sowie die Nichtverfügbarkeit des Fahrzeugs. Darüber hinaus werden die damit verbundenen Schulungskosten auf 20 000 Euro pro Lokomotive geschätzt. Da die Zahl der nachzurüstenden Bordgeräte auf 22 000 geschätzt wird (siehe Ziffer 39), könnten sich folglich Durchschnittskosten in Höhe von 11 Milliarden Euro für die gesamte Flotte ergeben (siehe Einzelheiten hierzu in Anhang V). Zudem könnte die zusätzliche fahrzeugseitige ERTMS-Ausrüstung weitere Instandhaltungskosten pro Lokomotive mit sich bringen, bis das nationale Signalgebungssystem außer Betrieb gesetzt wird.

53

Im Zuge der Prüfung stellte der Hof fest, dass die Nachrüstungskosten je nach Anzahl der nachzurüstenden Lokomotiven und Anzahl der Länder, in denen sie verkehren, stark variieren. Zusätzlich bringen spätere gesetzlich vorgeschriebene ERTMS-Aufrüstungen, die aufgrund der laufenden Weiterentwicklung des Systems und zur Behebung von Softwarefehlern nötig werden, weitere erhebliche Kosten mit sich. In einigen Fällen stellte der Hof fest, dass sich die Gesamtkosten auf fast eine Million Euro pro Bordgerät belaufen, worin die Kosten der Nichtverfügbarkeit noch nicht enthalten sind (siehe Kasten 4).

Kasten 4

Beispiel für die Gesamtkosten der Nachrüstung mehrerer Baureihen von Lokomotiven

In den Niederlanden betraf eines der geprüften Projekte die Nachrüstung mehrerer Mehrsystem-Güterzuglokomotiven mit ERTMS Baseline 2.3.0d. Die Kosten für die Nachrüstung, einschließlich obligatorischer Aufrüstungen, lagen zwischen 663 000 Euro und 970 000 Euro pro Lokomotive. Sobald der Infrastrukturbetreiber Baseline 3 einführt, ist eine weitere obligatorische Aufrüstung zu erwarten.

Ein anderes ausgewähltes Projekt in Deutschland betraf die Nachrüstung mehrerer Güterzuglokomotiven mit ERTMS Baseline 2.3.0d. Die Kosten lagen zwischen 420 000 Euro und 630 000 Euro pro Lokomotive. Eine Aufrüstung auf Baseline 3, die für den Betrieb in Deutschland notwendig ist, würde im Durchschnitt Zusatzkosten in Höhe von 270 000 Euro pro Lokomotive mit sich bringen.

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Neue Lokomotiven oder Züge müssen mit ERTMS ausgerüstet werden, unabhängig davon, ob sie auf mit ERTMS ausgestatteten Strecken verkehren oder nicht. Die Durchschnittskosten eines Bordgeräts werden von den Eisenbahnunternehmen in den besuchten Mitgliedstaaten auf ca. 300 000 Euro geschätzt (rund 15 % der Gesamtkosten einer Lokomotive). Diese Investitionskosten sind nicht Teil der in den genannten Studien enthaltenen Gesamtkostenschätzung für die fahrzeugseitige Einführung.

55

Das ERTMS und die erforderlichen damit verbundenen Arbeiten ziehen also kostspielige Investitionen nach sich, die von Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen getragen werden müssen. Die Gesamtkosten für die - sowohl streckenseitige als auch fahrzeugseitige - ERTMS-Einführung könnten sich auf bis zu 80 Milliarden Euro für die Kernnetzkorridore und auf bis zu 190 Milliarden Euro für das Gesamtnetz belaufen (siehe Tabelle 3). Solche Arbeiten können jedoch auch erforderlich sein, wenn als Ersatz für veraltete Signalgebungsausrüstung andere Systeme als das ERTMS installiert werden oder Instandhaltungsrückstände abgebaut werden. Da Infrastrukturbetreiber ihre Investitionen über einen Zeitraum von 30-50 Jahren planen und angesichts dessen, dass es schwierig ist, künftige technologische Entwicklungen über einen derart langen Zeitraum vorherzusehen, sind Kostenschätzungen für die Einführung sowie eine zuverlässige Planung, einschließlich der Deckung der Finanzierung, von entscheidender Bedeutung. Es kann nämlich nicht erwartet werden, dass die Einführungskosten durch Finanzmittel der EU gedeckt werden, weshalb andere Finanzierungsquellen gefunden werden müssen (siehe Ziffer 73).

Tabelle 3

Hochrechnung der Kosten für die streckenseitige ERTMS-Einführung auf der Grundlage der Situation in Dänemark und den Niederlanden

  Kernnetzkorridore Kernnetz Gesamtnetz
Länge (km) 51 000 66 700 123 000
Hochrechnung der Kosten streckenseitig (Milliarden Euro) 73 96 177
Nachrüstung fahrzeugseitig (Milliarden Euro) 11
Insgesamt (Milliarden Euro) 84 107 188

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage einer linearen Hochrechnung der bestehenden nationalen Schätzungen in Dänemark und den Niederlanden.

Probleme hinsichtlich Kompatibilität und Stabilität wirken sich negativ auf die individuelle wirtschaftliche Rentabilität aus

Kompatibilitätsprobleme zwischen verschiedenen Versionen des ERTMS
56

Kompatibilitätsprobleme können vor allem aufgrund von zwei wesentlichen Faktoren auftreten: der Integration des ERTMS in die bestehenden nationalen Signalgebungssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten und der verzögerten Einführung des ERTMS auf grenzüberschreitenden Abschnitten.

57

In der EU ist das ERTMS in die nationalen Schienennetze und deren Signalgebungssysteme eingebettet (d. h. “Brownfield”-Projekte). Aufgrund maßgeschneiderter ERTMS-Lösungen auf den nationalen Schienennetzen gibt es derzeit kein ERTMS-Bordgerät in der EU, das auf allen, mit unterschiedlichen Versionen des ERTMS ausgerüsteten Schienenabschnitten funktioniert. Interoperabilitätsprobleme treten nicht nur auf grenzüberschreitenden Abschnitten zwischen Mitgliedstaaten auf, sondern selbst innerhalb eines Landes (beispielsweise in den Niederlanden). Darüber hinaus stellte der Hof fest, dass sich der ERTMS-Einsatz bislang auf Schienenstrecken beschränkt, wohingegen Bahnhöfe und Knotenpunkte noch nicht mit ERTMS ausgestattet wurden.

58

Die Mitgliedstaaten haben sich dafür entschieden, das ERTMS-System in verschiedenen Phasen seiner Entwicklung und auf verschiedenen Eisenbahnstrecken innerhalb ihrer nationalen Netze einzuführen. Die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität haben sich sehr schnell entwickelt (im Durchschnitt wurden sie alle zwei Jahre geändert), was die Gesamtstabilität des Systems beeinträchtigt und spätere Aufrüstungen erforderlich macht. Obwohl Baseline 2.3.0d beispielsweise 2008 herausgegeben wurde und noch immer gültig ist, wurde in der Zwischenzeit Baseline 3 entwickelt und für die Einführung priorisiert27. Lokomotiven, die mit ERTMS Baseline 2 ausgestattet sind, können nicht auf Strecken verkehren, die mit Baseline 3 ausgerüstet sind. Die betroffenen Akteure gehen davon aus, dass dieses Problem künftig dadurch entschärft wird, dass Bordgeräte mit Baseline 3 auf Strecken mit Baseline 2 funktionieren sollten (siehe Kasten 5).

Kasten 5

Beispiele für Kompatibilitätsprobleme

In Italien sind Hochgeschwindigkeitsstrecken mit einer Gesamtlänge von 366 km mit Vorgänger-Baselines von Baseline 2.3.0d ausgerüstet und müssen in naher Zukunft aufgerüstet werden, damit neue Züge auf ihnen verkehren können. Darüber hinaus sollen konventionelle Strecken mit Baseline 3 betrieben werden. Lokomotiven, die mit Baseline 2.3.0d ausgerüstet sind, werden auf diesen Strecken nicht verkehren können. Einige von ihnen wurden mithilfe von Kofinanzierungsmitteln der EU bereits aufgerüstet.

In Spanien wurden die ersten Strecken mit Baseline 2.2.2+ ausgerüstet. Spanien hat einige davon bereits aufgerüstet, dennoch werden weitere Anstrengungen notwendig sein, um diese Linien auf 2.3.0d umzustellen. Zum Zeitpunkt der Prüfung mussten noch 1 049 km von 1 902 km aufgerüstet werden (55 %). Ebenso müssen 158 von 362 bereits ausgerüsteten Fahrzeugen nun aufgerüstet werden, damit sie in Betrieb bleiben können.

Industrie muss eine harmonisierte Version bereitstellen
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Die mangelnde Kompatibilität der ERTMS-Ausrüstung rührt auch daher, dass die Industrie maßgeschneiderte Lösungen entwickelt, die auf die spezifischen Anforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten abgestimmt sind. Diese sind jedoch nicht immer kompatibel. Mögliche Probleme und Fehler werden gewöhnlich nicht öffentlich kommuniziert, was die Lernkurve beeinträchtigt und es schwierig macht, gemeinsame Lösungen zu finden.

60

Darüber hinaus besteht in Anbetracht des großen Umfangs der Investitionen, die in naher Zukunft im Rahmen des neuen EDP geplant sind, die Gefahr, dass die Industrie womöglich nicht bereit ist, eine stabile, harmonisierte Version der Ausrüstung zu liefern. Ob die Industrie fähig sein wird, das Produkt zu liefern, wird davon abhängen, wie unterschiedlich bzw. wie spezifisch die verschiedenen Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen die Anforderungen in den entsprechenden Ausschreibungen ausformulieren werden. Einzelstaatliche Unterschiede können sowohl die Kosten als auch die Risiken für die Interoperabilität weiter erhöhen.

Langwierige Zertifizierungsverfahren zur Sicherstellung der Kompatibilität
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An der Zertifizierung des ERTMS sind benannte Stellen und nationale Sicherheitsbehörden beteiligt. Erstere sind für Prüfungen und Zertifizierungen zuständig, Letztere erteilen Zulassungen. Um eine Bescheinigung für eine Strecke oder ein Bordgerät zu erhalten, arbeiten die Infrastrukturbetreiber und die Eisenbahnunterunternehmen gewöhnlich bereits ab Projektbeginn eng mit der nationalen Sicherheitsbehörde zusammen, bevor ein förmlicher Antrag eingereicht wird (das sogenannte Pre-Engagement-Verfahren).

62

Im Rahmen der Prüfung stellte der Hof fest, dass das Zertifizierungs- und das Zulassungsverfahren relativ langwierig waren und im Durchschnitt ein bis zwei Jahre dauerten, je nachdem, wie viel Zeit diese inoffiziellen technischen Pre-Engagement-Verfahren in Anspruch nahmen. Im Falle des grenzüberschreitenden Betriebs gestaltete sich die Zertifizierung von Bordgeräten aufgrund nationaler Unterschiede besonders kompliziert und kostspielig. Dies erschwerte auch die gegenseitige Anerkennung der Arbeit, die von den nationalen Sicherheitsbehörden in anderen Mitgliedstaaten geleistet worden war (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6

Gegenseitige Anerkennung von Fahrzeugen

Quelle: Europäischer Rechnungshof.

Die gestärkte Rolle der ERA ist ein positiver Schritt hin zu einem einheitlichen europäischen Eisenbahnraum
63

Die aktuellen legislativen Entwicklungen, die zu einer stärkeren Rolle für die ERA geführt haben, sind ein positiver Schritt hin zu einem einheitlichen europäischen Eisenbahnraum. Im Rahmen des Vierten Eisenbahnpakets hat die ERA als formelle Systembehörde für das ERTMS die Aufgabe, EU-weite Sicherheitszertifikate für Eisenbahnunternehmen sowie Zulassungen für Fahrzeuge und ERTMS-Teilsysteme, die in mehr als einem Mitgliedstaat eingesetzt werden, auszustellen. Außerdem ist sie dafür zuständig, streckenseitige technische Lösungen zu prüfen, die in den Angeboten enthalten sind, welche von den Infrastrukturbetreibern ab Mitte 2019 eingereicht werden. Darüber hinaus wird die ERA eine stärkere Aufsichtsfunktion über die benannten Stellen und nationalen Sicherheitsbehörden ausüben und Ausschreibungsunterlagen für die streckenseitige ERTMS-Einführung in der EU bewerten.

64

Allerdings bestehen noch immer erhebliche Herausforderungen, die die ERTMS-Einführung gefährden. Diese betreffen insbesondere

  • die administrative Kapazität der ERA als ERTMS-Systembehörde für ein Gesamtprojekt einer Größenordnung von Hunderten Millionen Euro und ihre gestärkte Rolle im Rahmen des Vierten Eisenbahnpakets;
  • den Bedarf an praktischen Leitlinien und Schulungen zur Verringerung der steilen und kostspieligen Lernkurve in Bezug auf die praktische Konzeption und Einführung des ERTMS in den Mitgliedstaaten;
  • die größere Rolle der ERA bei der Aufsicht über benannte Stellen und nationale Sicherheitsagenturen und ihre Fähigkeit zur Überprüfung streckenseitiger technischer ERTMS-Lösungen, da es der ERA unter Umständen nicht möglich ist, Kompatibilitätsprobleme mit geltenden TSI anhand von Ausschreibungsunterlagen vorherzusehen;
  • den Einspruchs- und Meldemechanismus für Zertifikate von geringer Qualität. Dieser Mechanismus muss standardisiert werden, genauso wie die ERTMS-Tests, die auf EU-Ebene an den Gleisen erfolgen müssen, so wie es bereits für Fahrzeuge der Fall ist.
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Im Jahr 2014 wurde das Gemeinsame Unternehmen Shift2Rail eingerichtet, das als öffentlich-private Partnerschaft zur Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums beitragen soll. Der Hof stellte fest, dass die ERA eine eingeschränkte Beobachterrolle im Verwaltungsrat des Gemeinsamen Unternehmens innehat und Shift2Rail und ERA enger zusammenarbeiten müssten. Daher besteht die Gefahr, dass die ERA, wenn sie Shift2Rail in Bezug auf dessen Ergebnisse überwacht und sich mit ihm austauscht, die Gelegenheit zum frühzeitigen Handeln versäumen könnte, insbesondere wenn man bedenkt, dass das Gemeinsame Unternehmen neben Primärforschung auch an der Entwicklung von Produkten beteiligt ist, etwa einer automatischen Zugführung für künftige ERTMS-Baselines. Die Kompatibilität der Entwicklung neuer ERTMS-Funktionen mit geltenden technischen Spezifikationen für die Interoperabilität ist von entscheidender Bedeutung, damit auch in Zukunft Interoperabilität gewährleistet ist.

Der neue europäische Bereitstellungsplan ist ein Schritt nach vorne, doch bestehen weiterhin große Herausforderungen

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Obwohl sich herausstellte, dass die im europäischen Bereitstellungsplan von 2009 für die ERTMS-Einführung festgelegten Fristen aller Voraussicht nach nicht eingehalten würden, entschied sich die Kommission, keine Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten anzustrengen, die ihren Verpflichtungen bezüglich der ERTMS-Einführung auf den Korridorabschnitten nicht nachgekommen waren. Stattdessen leiteten die Kommission und der europäische ERTMS-Koordinator im Dezember 2014 das sogenannte Breakthrough-Programm28 ein, um die EU-weite ERTMS-Einführung zu beschleunigen und im Hinblick darauf einen neuen Bereitstellungsplan anzunehmen.

67

Dieses Programm wurde mit den Mitgliedstaaten auf hoher Ebene ausgehandelt. Die Gespräche fanden zwischen dem Europäischen Koordinator und nationalen Ministerien und Infrastrukturbetreibern statt. Auf der Grundlage des Breakthrough-Programms und im Anschluss an die Verhandlungen erarbeitete die Kommission den neuen europäischen Bereitstellungsplan in Form eines für die EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbaren Rechtsakts. Dieser wurde am 5. Januar 2017 offiziell veröffentlicht29.

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Der neue europäische Bereitstellungsplan, der von den Mitgliedstaaten unterstützt wird, ist ein Schritt hin zu einer realistischeren ERTMS-Einführung. Dennoch bestehen weiterhin große Herausforderungen. Erstens enthält er - wie bereits in der Vergangenheit - keinerlei Schätzung der Gesamtkosten für die ERTMS-Einführung. Zweitens ist er in keiner Weise mit einer speziellen Finanzierung verbunden, und auch die Quelle dieser Finanzierung wird nicht definiert; folglich müssen andere Anreize gefunden werden, damit der Sektor seine Ziele erreicht. Darüber hinaus gibt es noch immer keine rechtlich bindende Frist für die Außerbetriebsetzung der bestehenden nationalen Systeme, damit das ERTMS als einziges (und nicht zusätzliches) Signalgebungssystem etabliert werden kann.

69

Für die Planung ihrer Investitionen benötigen die Eisenbahnunternehmen langfristige Berechenbarkeit. Diesbezüglich werden im neuen EDP lediglich spezifische Ziele für die streckenseitige Einführung zwischen 2017 und 2023 aufgeführt, während für die übrigen auszurüstenden Abschnitte lediglich “nach 2023” angegeben wird. Eine feste Frist wird nicht genannt (mit Ausnahme der allgemeinen Frist von 2030). Dies beeinträchtigt die Koordinierung der Einführung zwischen den Mitgliedstaaten und hält Eisenbahnunternehmen davon ab, ihre fahrzeugseitigen Investitionen entsprechend zu planen. Des Weiteren stellte der Hof fest, dass es im Laufe der kommenden fünf Jahre aufgrund der zu erwartenden Überarbeitungen der Rechtsakte (siehe Ziffer 33) für Eisenbahnunternehmen besonders schwierig sein wird, langfristige Investitionsentscheidungen zu treffen.

70

Darüber hinaus wird die im neu angenommenen EDP festgelegte geplante Einführung dadurch beeinträchtigt, dass die zeitliche Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten bezüglich grenzüberschreitender Abschnitte zu wünschen übrig lässt. Dies zeigt, dass die Mitgliedstaaten ihre Einführung gemäß ihren nationalen Erfordernissen planen, ungeachtet möglicher Verpflichtungen, die in Bezug auf EU-Prioritäten eingegangen wurden. Beispielsweise beabsichtigt Deutschland aktuellen Plänen zufolge, bis 2030 nur 60 % seiner Eisenbahnstrecken auf den Kernnetzkorridoren auszurüsten; auf keiner dieser Strecken wird eine 100 %ige Fertigstellung erreicht.

EU-Finanzmittel können nur einen begrenzten Teil der hohen Investitionssumme decken und wurden nicht immer ordnungsgemäß verwaltet und gezielt eingesetzt

Die für die ERTMS-Einführung verfügbaren Finanzmittel der EU können nur einen begrenzten Teil der Investitionssumme decken

71

Aus dem EU-Haushalt wurden zwischen 2007 und 2013 rund 1,2 Milliarden Euro für streckenseitige und fahrzeugseitige ERTMS-Investitionen bereitgestellt. Die Mittel stammen im Wesentlichen aus zwei Quellen: dem TEN-V-Programm, dessen Beitrag sich auf 645 Millionen Euro belief, und den Strukturfonds (EFRE und Kohäsionsfonds) mit einem geschätzten Beitrag von 574 Millionen Euro (die ERTMS-Komponente wird auf 10 % der Großinvestitionen in den Schienenverkehr geschätzt).

72

Auch im Programmplanungszeitraum 2014-2020 wird die ERTMS-Einführung weiterhin mit einem geschätzten Gesamtbudget in Höhe von 2,7 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt unterstützt. Im Hinblick auf die CEF gab es drei spezifische Aufforderungen zur Einreichung von Projektanträgen für einen Gesamtbetrag von 850 Millionen Euro, der aus der CEF bis 2020 für ERTMS-Projekte bereitgestellt wird30. ERTMS-Projekte können auch Förderung aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) erhalten, die in den förderfähigen Regionen bis zu 1,9 Milliarden Euro betragen kann31.

73

Die für das ERTMS zur Verfügung stehenden EU-Mittel decken nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtkosten für die Einführung, sodass ein Großteil der Finanzierung aus anderen Quellen erfolgen muss. Wie in Ziffer 55 beschrieben, bewegen sich die Kosten für die (sowohl streckenseitige als auch fahrzeugseitige) ERTMS-Einführung auf den Kernnetzkorridoren in einer Größenordnung von 90 Milliarden Euro. Die finanzielle Unterstützung der EU für ERTMS-Projekte beläuft sich im Zeitraum 2007-2020 auf 4 Milliarden Euro und damit auf weniger als 5 % der Gesamtkosten für die ERTMS-Einführung auf den Kernnetzkorridoren.

74

Bei den letzten beiden Aufforderungen zur Einreichung von Projektanträgen im Rahmen der CEF überstieg der Wert der eingereichten Projektvorschläge die zur Verfügung stehenden Finanzmittel um einen Faktor von 5,6 bzw. 4 (die dritte Aufforderung zur Einreichung von Anträgen war zum Zeitpunkt der Prüfung noch nicht evaluiert worden). Selbst wenn also 100 % der EU-Finanzmittel erfolgreich in Anspruch genommen werden, heißt das, dass die Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen noch immer den mit Abstand größten Teil ihrer Investitionen aus anderen Finanzierungsquellen decken müssen, um das ERTMS in der gesamten EU einzuführen.

Verschiedene Probleme mit ERTMS-Projekten im Zusammenhang mit der Art der Mittelverwaltung

Mangelnde Überwachung und begrenzte Verwendung von EU-Finanzmitteln bei geteilter Mittelverwaltung
75

Der Hof stellte fest, dass - anders als die INEA für TEN-V- und CEF-Projekte - die Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung die ERA oder externe Sachverständige nicht einbezieht, um zu bewerten, ob umgesetzte Projekte mit den technischen Spezifikationen für die Interoperabilität übereinstimmen. Dadurch besteht die Gefahr, dass im Zusammenhang mit der Kompatibilität der verschiedenen installierten ERTMS-Versionen Probleme auftreten könnten.

76

Im Falle von Projekten der Kohäsionspolitik bilden ERTMS-Investitionen gewöhnlich einen Teil der Renovierung oder Errichtung eines Schienenabschnitts. Die Signalgebungsausrüstung wird erst in der Endphase des Prozesses installiert. Bei solchen Projekten können Verzögerungen auftreten, wobei in einigen Fällen das Ende des Förderzeitraums erreicht wird. Folglich müssen die Projekte mit Mitteln aus dem nachfolgenden Programmplanungszeitraum finanziert werden, wie es in Polen der Fall war. Daher wurden EU-Finanzmittel im Zeitraum 2007-2013 in der Praxis nur begrenzt für ERTMS-Investitionen verwendet (siehe Anhang III).

Aufhebungen von Mittelbindungen in beträchtlicher Höhe bei direkter Mittelverwaltung
77

Obwohl der Wert der eingereichten Projektanträge die verfügbaren Finanzmittel überstieg (siehe Ziffer 74), wurden von den ursprünglichen TEN-V-Mittelzuweisungen zu ERTMS-Projekten32 während des Programmplanungszeitraums 2007-2013 Mittelbindungen in beträchtlicher Höhe aufgehoben. Insgesamt wurde in der EU bei 50 % der ursprünglich ERTMS-Projekten zugewiesenen TEN-V-Mittel die Mittelbindung aufgehoben (siehe Tabelle 4), und nur 218 Millionen Euro von 645 Millionen Euro (34 %) waren zum Zeitpunkt der Prüfung bereits ausgezahlt worden. Die Quote der Aufhebung von Mittelbindungen erreicht bei den sechs für die Prüfung ausgewählten Mitgliedstaaten bis zu 86 %33.

Tabelle 4

Vorläufige Aufhebungen von Mittelbindungen im Zusammenhang mit TEN-V-Unterstützung für ERTMS-Projekte (Programmplanungszeitraum 2007-2013)

Mitgliedstaat Dänemark Italien Deutschland Spanien Polen Niederlande Sechs ausgewählte Mitgliedstaaten EU insgesamt
Quote der Aufhebung von Mittelbindungen 100 % 94 % 92 % 83 % 75 % 38 % 86 % 50 %

Quelle: Berechnungen des Europäischen Rechnungshofs auf der Grundlage von Daten der INEA (Stand: Januar 2017).

78

Der Hauptgrund für diese Aufhebungen der Mittelbindungen liegt darin, dass die EU-Finanzbestimmungen nicht an den Lebenszyklus von ERTMS-Projekten angepasst sind, der unter anderem von langwierigen Prüfungs- und Zertifizierungsverfahren oder Änderungen der technischen Spezifikationen und nationalen Umsetzungsstrategien beeinflusst sein kann. Verzögerungen bei der Umsetzung oder die Verringerung des ursprünglichen Projektumfangs führten dazu, dass Mittelbindungen vollständig oder teilweise aufgehoben wurden, da es den Begünstigten nicht möglich war, das Projekt innerhalb der in den Aufforderungen zur Einreichung von Projektvorschlägen festgelegten Förderzeiträume abzuschließen.

79

Es besteht die Gefahr, dass die Mittelbindungen für CEF-Mittel im Programmplanungszeitraum 2014-2020 womöglich ebenfalls aufgehoben werden. Zum Zeitpunkt der Prüfung belief sich die Summe der getätigten Zahlungen auf 50 Millionen Euro - von insgesamt 689 Millionen Euro, die zugewiesen worden waren (7,3 %). Vier Projekte, deren EU-Fördermittel sich auf insgesamt 30,7 Millionen Euro beliefen, wurden annulliert, noch bevor sie irgendwelche Vorschüsse erhalten hatten und die Finanzhilfevereinbarung unterzeichnet worden war. Gründe waren eine Änderung der Umsetzungspläne oder übermäßig hohe Zahlungsforderungen der Lieferanten.

80

EU-Mittel, bei denen die Mittelbindungen in einer frühen Phase des Programmplanungszeitraums aufgehoben wurden, können wiederverwendet werden, um andere ERTMS-Projekte zu finanzieren. Allerdings hat die Kommission kein klares Bild davon, in welchem Umfang zurückgeflossene Beträge von ERTMS-Maßnahmen tatsächlich wieder dem ERTMS zugewiesen wurden. Sämtliche EU-Mittel, bei denen die Mittelbindungen bereits aufgehoben wurden oder in einer späteren Phase des Programmplanungszeitraums (d. h. nach 2013) aufgehoben werden sollen, werden an den Gesamthaushalt der EU zurückgeführt, sodass weniger EU-Mittel für die ERTMS-Einführung zur Verfügung stehen.

EU-Finanzmittel wurden nicht immer gezielt eingesetzt

Streckenseitig nur begrenzter Fokus auf grenzüberschreitende Abschnitte und Kernnetzkorridore, insbesondere im Rahmen der Kohäsionspolitik
81

Wie die Analyse der für die Prüfung ausgewählten Projekte zeigt, hat sich die Finanzierung durch die EU nicht immer auf die Kernnetzkorridore konzentriert (siehe Ziffer 86). Dies ist insbesondere bei den Fördermitteln im Rahmen der Kohäsionspolitik der Fall, da die Installation des ERTMS bei der Renovierung oder Errichtung einer neuen Schienenstrecke verpflichtend ist, unabhängig vom Projektstandort. Dies entspricht nicht der Priorisierung der Korridore (d. h. der ERTMS-Korridore und der Kernnetzkorridore), wie sie von der Generaldirektion Mobilität und Verkehr gefördert wird (siehe Ziffer 30), und kann zu einer wirkungslosen Verwendung von EU-Mitteln führen, da es möglich ist, dass das ERTMS auf einer Strecke, die im Rahmen der Kohäsionspolitik ausgerüstet werden muss, in der Praxis lange nicht zum Einsatz kommt und dann bereits eine nachträgliche Aufrüstung des Signalgebungssystems erforderlich wird.

82

Was grenzüberschreitende Abschnitte anbelangt, so wurden diesen trotz der EU-Politik und der Empfehlungen des Hofes aus den Jahren 2005 und 2010 streckenseitig nur begrenzt EU-Fördermittel zugewiesen: In sechs besuchten Mitgliedstaaten betrafen nur sechs von 31 für die Prüfung ausgewählten streckenseitigen Projekten grenzüberschreitende Abschnitte, jedoch wurden zwei dieser Projekte annulliert (Deutschland).

83

Hinsichtlich der für diese Prüfung ausgewählten Mitgliedstaaten ist festzustellen, dass in Deutschland das ERTMS auf keinem grenzüberschreitenden Abschnitt kommerziell in Betrieb genommen wurde, während Österreich, Belgien und die Niederlande bereits einige Abschnitte an ihren Grenzen zu Deutschland ausgerüstet haben. Die Niederlande haben zudem den grenzüberschreitenden Abschnitt nach Belgien ausgerüstet, und in Spanien ist ein grenzüberschreitender Abschnitt nach Frankreich betriebsbereit. Dänemark, Italien und Polen hatten hingegen zum Zeitpunkt der Prüfung noch keinen ihrer grenzüberschreitenden Abschnitte auf Kernnetzkorridoren ausgerüstet.

Für Bordgeräte verfügbare EU-Finanzmittel werden größtenteils vom inländischen Verkehr in Anspruch genommen
84

Die für Bordgeräte bereitgestellte finanzielle Unterstützung der EU wird größtenteils von den Eisenbahnunternehmen in Anspruch genommen, die im Personenverkehr fast ausschließlich auf inländischen Strecken verkehren. Im Falle der sechs besuchten Mitgliedstaaten wurden 70 % der TEN-V- und CEF-Förderung für Bordgeräte während des Zeitraums 2007-2015 Eisenbahnunternehmen zugewiesen, die im inländischen Personenverkehr tätig sind. Auf den Schienengüterverkehr, der mit größerer Wahrscheinlichkeit auf internationaler Ebene betrieben wird, entfielen die übrigen 30 % der verfügbaren Unterstützung.

85

Außerdem wird die Nachrüstung von Güterzuglokomotiven im Rahmen der Kohäsionspolitik nicht gefördert. Nur bei Personenfahrzeugen, die im inländischen Verkehr im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen eingesetzt werden und sich im Allgemeinen im Besitz des etablierten Eisenbahnunternehmens befinden, kann diese Art der EU-Unterstützung für den Erwerb neuer oder die Aufrüstung bestehender Fahrzeuge potenziell in Anspruch genommen werden.

Stand der während der Prüfung untersuchten von der EU kofinanzierten Projekte: Verspätungen, Aufhebungen von Mittelbindungen und ungenaue Ausrichtung
86

Zum Zeitpunkt der Prüfung waren 14 von 31 ausgewählten streckenseitigen Projekten abgeschlossen, wenngleich dies bei fünf mit Verspätung und bei einem in verringertem Umfang geschah. 13 Projekte befanden sich noch in der Durchführung; bei drei von ihnen traten Verzögerungen auf, die in einem Fall zur vollständigen Aufhebung der Mittelbindungen der EU-Förderung geführt hatten. Vier Projekte wurden annulliert und die Mittelbindungen der EU-Förderung folglich aufgehoben. Sechs von 31 streckenseitigen Projekten wurden überhaupt nicht oder nur teilweise auf TEN-V-Korridoren umgesetzt. Dies war insbesondere bei Projekten im Rahmen der Kohäsionspolitik der Fall (vier von 11 Projekten).

87

Was die fahrzeugseitige Ausrüstung anbelangt, waren 16 von 20 Projekten abgeschlossen worden, davon neun mit Verzögerungen und drei in verringertem Umfang. Zwei Projekte befanden sich noch in der Durchführung, doch in einem Fall führte die Verzögerung dazu, dass die Mittelbindungen der EU-Förderung aufgehoben wurden, und in einem anderen Fall kam es sowohl zu Verzögerungen als auch zu einer Verringerung des Umfangs. Zwei Projekte wurden annulliert und die Mittelbindungen der EU-Förderung vollständig aufgehoben. Ausführliche Informationen hierzu finden sich in Anhang III.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

88

Insgesamt stellte der Hof fest, dass die Einführung des ERTMS auf der Grundlage einer strategischen politischen Entscheidung und ohne Gesamtkostenschätzung oder geeignete Planung eingeleitet worden war - und dies bei einem Projekt, dessen Wert sich bis 2050 auf bis zu 190 Milliarden Euro beläuft. Auch wenn Konzept und Vision des ERTMS zur Verbesserung der Interoperabilität im Allgemeinen vom Eisenbahnsektor nicht infrage gestellt werden, wird dieses System bislang nur wenig und lückenhaft eingesetzt. Der derzeitige Grad der ERTMS-Einführung kann vor allem dadurch erklärt werden, dass zahlreiche Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen nur zögerlich in ERTMS-Ausrüstung investieren, da damit hohe Investitionskosten verbunden sind, die sich für viele von ihnen auf individueller Ebene wirtschaftlich nicht lohnen (beispielsweise in den Mitgliedstaaten, deren nationale Systeme gut funktionieren und noch eine erhebliche Lebensdauer haben). Die Finanzmittel der EU könnten zwar besser verwaltet und gezielter eingesetzt werden, sie können aber dennoch nur einen begrenzten Teil der hohen Investitionssumme decken.

89

Dies beeinträchtigt nicht nur das Erreichen der für 2030 festgelegten Ziele für die ERTMS-Einführung und die bisherigen Investitionen, sondern auch die Verwirklichung des einheitlichen Eisenbahnraums, eines der wichtigsten politischen Ziele der Kommission. Zudem können sich negative Auswirkungen für die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs im Vergleich zum Straßengüterverkehr ergeben.

Die ERTMS-Einführung war eine strategische politische Entscheidung und wurde ohne Gesamtkostenschätzung oder geeignete Planung eingeleitet

90

Trotz der politischen Entscheidung zur Einführung eines einheitlichen Signalgebungssystems in der gesamten EU wurde keine Schätzung der Gesamtkosten vorgenommen, um die erforderliche Finanzierung und deren Quellen zu ermitteln – und das, obwohl das Projekt mit hohen Kosten verbunden ist. Die eingeführten rechtlichen Verpflichtungen erforderten weder die Außerbetriebsetzung der nationalen Signalgebungssysteme noch sind sie auf die Fristen und Prioritäten der EU-Verkehrspolitik abgestimmt. Zum Zeitpunkt der Prüfung war der Grad der ERTMS-Einführung in der gesamten EU gering.

Empfehlung 1 - Bewertung der Kosten für die ERTMS-Einführung

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten unter Berücksichtigung des Kernnetzes und des Gesamtnetzes die Gesamtkosten der (sowohl streckenseitigen als auch fahrzeugseitigen) ERTMS-Einführung nach Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt analysieren, um ein EU-weit einheitliches Signalgebungssystem einzuführen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Zeitrahmen für diese Art von Investitionen 30-50 Jahre umfasst. Die Bewertung sollte sich nicht nur auf die Kosten für die Ausrüstung und Installation des ERTMS beziehen, sondern auch auf alle anderen damit verbundenen Kosten. Grundlage hierfür sollten die Erfahrungen der Mitgliedstaaten sein, die das ERTMS als Vorreiter in großem Umfang eingeführt haben.

Frist: bis Ende 2018.

Empfehlung 2 - Außerbetriebsetzung der nationalen Signalgebungssysteme

Die Kommission sollte sich mit den Mitgliedstaaten auf realistische, koordinierte und rechtsverbindliche Ziele für die Außerbetriebsetzung der nationalen Signalgebungssysteme einigen, um zu verhindern, dass das ERTMS nur zu einem zu installierenden Zusatzsystem wird.

Frist: bis Ende 2018.

Zahlreiche Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen investieren nur zögerlich in das ERTMS, da es sich auf individueller Ebene wirtschaftlich nicht lohnt

91

Obwohl das ERTMS auf lange Sicht eine insgesamt positive Wirkung auf EU-Ebene haben könnte, investieren viele Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen nur zögerlich in das System, da es sich für sie auf individueller Ebene wirtschaftlich nicht lohnt. Das ERTMS ist ein einheitliches System für zahlreiche Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Es erfordert jedoch kostspielige Investitionen, die denjenigen, die die Kosten zu tragen haben, in der Regel keinen unmittelbaren Nutzen bringen. Kompatibilitätsprobleme zwischen den verschiedenen installierten ERTMS-Versionen sowie die langwierigen Zertifizierungsverfahren wirken sich ebenfalls negativ auf die individuelle wirtschaftliche Rentabilität für Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen aus. Trotz des neuen europäischen Bereitstellungsplans bestehen weiterhin große Herausforderungen für eine erfolgreiche ERTMS-Einführung. Es ist wichtig, dass die ERA über die administrative Kapazität verfügt, die sie für ihre Funktion als ERTMS-Systembehörde benötigt. Hierbei sind ihre gestärkte Rolle und ihre erweiterten Zuständigkeiten aufgrund des Vierten Eisenbahnpakets zu berücksichtigen.

Empfehlung 3 - Wirtschaftliche Rentabilität für die Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen selbst

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten zusammen mit den Akteuren des Schienenverkehrs und der ERTMS-Zulieferindustrie verschiedene finanzielle Mechanismen prüfen, dank deren sich die ERTMS-Einführung auf individueller Ebene wirtschaftlich lohnt, ohne dass hierfür der EU-Haushalt weiterhin übermäßig in Anspruch genommen wird.

Frist: bis Mitte 2018.

Empfehlung 4 - Kompatibilität und Stabilität des Systems

  1. Die Kommission und die ERA sollten mit Unterstützung der Zulieferindustrie für stabile ERTMS-Spezifikationen sorgen, die verbleibenden Fehler korrigieren, die Inkompatibilitäten zwischen den verschiedenen bereits eingeführten streckenseitigen ERTMS-Versionen beheben und sicherstellen, dass künftig alle ERTMS-Strecken kompatibel sind. Um dies zu erreichen, sollte die ERA noch vor Ablauf der gesetzlichen Frist im Juni 2019 proaktiv mit den Infrastrukturbetreibern und nationalen Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten.

    Frist: ab sofort.

  2. Die Kommission und die ERA sollten in enger Abstimmung mit der Zulieferindustrie einen Plan für die Entwicklung eines standardisierten Bordgeräts aufstellen, das auf allen mit ERTMS ausgerüsteten Strecken funktioniert.

    Frist: bis Mitte 2018.

  3. Die Kommission und die ERA sollten in Zusammenarbeit mit der Industrie die Entwicklung standardisierter Ausschreibungsvorlagen für ERTMS-Projekte initiieren und steuern und deren Anwendung fördern. Die Vorlagen sollten allen Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen zur Verfügung stehen, damit sichergestellt ist, dass die Industrie nur kompatible ERTMS-Ausrüstung liefert.

    Frist: bis Mitte 2018.

  4. Die Kommission und die ERA sollten in allen Mitgliedstaaten den Lernprozess für Personen, die an der Einführung und am Betrieb des ERTMS beteiligt sind, erleichtern, damit sie eine weniger steile Lernkurve bewältigen müssen. Hierzu sollten verschiedene Lösungen wie koordinierte Schulungen oder Informationsaustausch und Leitlinien geprüft werden.

Frist: bis Mitte 2018.

Empfehlung 5 - Rolle und Ressourcen der ERA

Die Kommission sollte bewerten, ob die ERA über die erforderlichen Ressourcen verfügt, um als effiziente und wirksame Systembehörde zu agieren und ihrer gestärkten Rolle sowie ihren erweiterten Zuständigkeiten für das ERTMS im Rahmen des Vierten Eisenbahnpakets gerecht zu werden.

Frist: bis Mitte 2018.

Empfehlung 6 - Angleichung der nationalen Bereitstellungspläne, Überwachung und Durchsetzung

  1. Die Mitgliedstaaten sollten ihre nationalen Bereitstellungspläne angleichen, insbesondere dann, wenn eine im neuen europäischen Bereitstellungsplan festgelegte Frist nach 2023 liegt. Die Kommission sollte die Umsetzung des neuen EDP aufmerksam überwachen und durchsetzen. Wann immer es möglich ist, sollten die Mitgliedstaaten die Einführungsfristen für vor diesem Zeitpunkt umgesetzte grenzüberschreitende Projekte aufeinander abstimmen, um zu vermeiden, dass das ERTMS nur lückenhaft eingesetzt wird.

    Frist: ab sofort.

  2. Angesichts der langen Planungszeiträume im ERTMS-Sektor (der Planungshorizont reicht bis 2050) sollte die Kommission in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten Etappenziele festlegen, um eine angemessene Überwachung der Fortschritte zu ermöglichen.

Frist: für das Kernnetz bis Ende 2020, für das Gesamtnetz bis 2023.

EU-Finanzmittel können nur einen begrenzten Teil der hohen Investitionssumme decken und wurden nicht immer ordnungsgemäß verwaltet und gezielt eingesetzt

92

Sowohl für streckenseitige als auch für fahrzeugseitige ERTMS-Investitionen steht finanzielle Förderung vonseiten der EU zur Verfügung. Allerdings kann dadurch nur ein begrenzter Teil der Gesamtkosten der Einführung gedeckt werden. Der Großteil der Investitionen muss von einzelnen Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen getätigt werden, die jedoch nicht immer - zumindest nicht sofort - von der Einführung des ERTMS profitieren. Darüber hinaus wurden nicht alle für das ERTMS verfügbaren EU-Finanzmittel letztendlich auch ERTMS-Projekten zugewiesen. Zudem wurde die Förderung nicht immer gezielt eingesetzt.

Empfehlung 7 - Inanspruchnahme von EU-Mitteln für ERTMS-Projekte

Die Kommission sollte die CEF-Finanzierungsverfahren anpassen, um sie besser auf den Lebenszyklus von ERTMS-Projekten abzustimmen und dadurch den Umfang der Aufhebung von Mittelbindungen erheblich zu reduzieren und die Verwendung von EU-Finanzmitteln, die für ERTMS-Investitionen zur Verfügung stehen, zu maximieren.

Frist: ab 2020.

Empfehlung 8 - Gezieltere Ausrichtung von EU-Fördermitteln

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten die für ERTMS-Projekte zur Verfügung stehenden EU-Mittel sowohl bei der geteilten als auch bei der direkten Mittelverwaltung gezielter ausrichten:

  1. Werden die Mittel der streckenseitigen Ausrüstung zugewiesen, so sollten sie gemäß den Prioritäten der EU-Verkehrspolitik auf grenzüberschreitende Abschnitte oder Kernnetzkorridore beschränkt werden.
  2. Werden die Mittel der fahrzeugseitigen Ausrüstung zugewiesen, so sollten Schienenverkehrsbetreiber, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig sind, Vorrang erhalten, damit der intramodale und intermodale Wettbewerb gefördert wird.

Frist: ab sofort für neue Projektanträge.

Dieser Bericht wurde von Kammer II unter Vorsitz von Frau Iliana IVANOVA, Mitglied des Rechnungshofs, in ihrer Sitzung vom 12. Juli 2017 in Luxemburg angenommen.

Für den Rechnungshof

Klaus-Heiner LEHNE
Präsident

Anhänge

Anhang I

Liste der nationalen Signalgebungssysteme in den EU-Mitgliedstaaten

Quelle: ERA.

Anhang II

Technische Beschreibung des ERTMS

Grundlage des ERTMS bildet die von der ERA entwickelte Technische Spezifikation für die Interoperabilität für “Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung” (TSI CCS). Es kann sowohl als zusätzliches System (oder Überlagerungssystem) zu einem bestehenden Signalsystem oder als einzelnes System für neue funkbasierte Infrastruktur installiert werden.

Damit das ERTMS funktioniert, müssen sowohl die Strecke als auch der Zug damit ausgerüstet sein. Das streckenseitige System und das in den Fahrzeugen installierte System tauschen gegenseitig Informationen aus, wodurch die für den Betrieb zulässige Höchstgeschwindigkeit kontinuierlich überwacht werden kann und der Triebfahrzeugführer mittels Führerraumsignalisierung alle für den Betrieb erforderlichen Informationen erhält. Die beiden Hauptkomponenten des ERTMS sind das Europäische Zugsicherungs-/Zugsteuerungssystem (ETCS), das streckenseitig in Form einer Balise zum Einsatz kommt, und das Globale Mobilfunk-Kommunikationssystem für Eisenbahnen (GSM-R), ein Funksystem, das Sprach- und Datenkommunikation zwischen Strecke und Fahrzeug ermöglicht.

Derzeit gibt es drei Anwendungsstufen des ERTMS - abhängig davon, wie die Strecke ausgerüstet ist und wie die Informationen an den Zug übermittelt werden - und verschiedene Versionen, genannt “Baselines”, da sich das System infolge technologischer Entwicklungen ständig weiterentwickelt.

Die ETCS-Anwendungsstufen sind folgende:

  • Anwendungsstufe 1 umfasst die kontinuierliche Überwachung der Zugbewegung, jedoch eine nicht kontinuierliche Kommunikation zwischen Zug und Strecke (in der Regel mittels Eurobalisen). Streckensignale sind erforderlich.
  • Anwendungsstufe 2 umfasst die kontinuierliche Überwachung der Zugbewegung und kontinuierliche Kommunikation mittels GSM-R zwischen Zug und Strecke. Streckensignale sind optional.
  • Anwendungsstufe 3 bietet kontinuierliche Überwachung des Zuges mit kontinuierlicher Kommunikation zwischen Zug und Strecke, wobei es außer den Eurobalisen keiner weiteren Streckensignale oder Zugortungssignale auf der Strecke bedarf. Diese Anwendungsstufe war zum Zeitpunkt der Prüfung nicht betriebsbereit.

Eine Baseline ist ein in der TSI CCS gelisteter Dokumentensatz mit einer konkreten Version, d. h. die Spezifikationen für zahlreiche Aspekte, Komponenten, Schnittstellen usw. betreffend das ERTMS. Baseline 2 war das erste vollständige, auf europäischer Ebene angenommene Anforderungsbündel, das als interoperabel angesehen wurde. Bei Baseline 3 handelt es sich um eine kontrollierte Weiterentwicklung von Baseline 2, die neue Zusatzfunktionen umfasst und so konzipiert wurde, dass sie abwärtskompatibel zu Baseline 2 ist.

Anhang III

Übersicht über die geprüften Projekte

 

Anhang IV

ERTMS-Ausstattung der Kernnetzkorridore nach Mitgliedstaat zum Jahresende 2016

 

Quelle: Europäische Kommission.

Anhang V

Methode zur linearen Hochrechnung der Kosten der ERTMS-Einführung

 

Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage einer linearen Hochrechnung der bestehenden nationalen Schätzungen in Dänemark und den Niederlanden.

Antworten der Kommission

Zusammenfassung

II

Die Mitgliedstaaten und der Eisenbahnsektor unterstützen und bestätigen das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) als das universale Signalgebungssystem in Europa.

Die europäischen Eisenbahnen haben in den späten 1980er/frühen 1990er Jahren mit der Entwicklung eines Europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- (ETCS) und Kommunikationssystems (GSM-R) begonnen. Diese Tätigkeiten wurden anschließend (Mitte der 1990er-Jahre) mit anderen verbundenen Forschungsarbeiten der Industrie zusammengelegt, die von der Kommission im Rahmen des ERTMS-Programms unter ihrer Schirmherrschaft unterstützt wurden.

Das Ziel des ERTMS bestand letztendlich darin, veraltete Signalgebungs- und Telekommunikationssysteme im Eisenbahnsektor in Europa durch einen einheitlichen Standard zu ersetzen, um durch die größere Interoperabilität vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr qualitativ höherwertigere und kostenwirksame Eisenbahndienste zu fördern und die Fragmentierung der operativen Fähigkeiten im europäischen Schienennetz zu reduzieren.

Als gemeinsamer Standard sollte das ERTMS auch die Wettbewerbsfähigkeit im Eisenbahnsektor verbessern, indem insbesondere die Produktvielfalt verringert und Skaleneffekte angestrebt werden, was schlussendlich zu niedrigeren Kosten führt. Überdies können dank des ERTMS sowie der verstärkten Standardisierung anderer Eisenbahnerzeugnisse infolge der EU-Rechtsvorschriften Züge mit einer einheitlichen Spezifikation hergestellt werden, die in vielen Schienennetzen eingesetzt werden können (auch wenn sie nicht grenzüberschreitend fahren), wodurch sich die Kosten für Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber deutlich verringern und sich die Produktionsbetriebszeiten deutlich verlängern, was den Herstellern zugutekommt.

Das ERTMS sorgt nicht nur für Interoperabilität, das Hauptziel in Europa, indem es die einzelstaatlichen Systeme ablöst, sondern gewährleistet auch Sicherheit und wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile, da die größere Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu Zeitersparnis führt. Das ERTMS unterstützt ferner den Übergang von analog zu digital.

VI

Gebremst wurde die Einführung des ETCS durch das Gewicht der bestehenden Altsysteme. Die Einführung dauerte unter anderem deshalb länger, weil sich der Übergang und der Anschluss an die bestehenden einzelstaatlichen Systeme komplexer gestaltete als erwartet. Überdies bedarf es einer engen Zusammenarbeit und Abstimmung mit verschiedenen Interessenträgern (z. B. Mitgliedstaaten, Zulieferern, Eisenbahnunternehmen, Infrastrukturbetreibern, einzelstaatlichen Sicherheitsbehörden), um zu einem Konsens zu gelangen und die Interoperabilität zu gewährleisten.

Wirtschaftlicher Nutzen entsteht nicht nur auf Systemebene, sondern auch zugunsten einzelner Interessenträger. Die Kommission räumt allerdings ein, dass es für bestimmte Interessenträger finanziell zu einer Herausforderung kommen könnte. Dies schwankt je nach Umsetzungsszenario und ist nicht allgemein gültig.

Die Kommission stellt fest, dass der Zeitrahmen für die Erzielung des Nutzens auf Systemebene vergleichbar mit anderen Infrastrukturprojekten ist.

VIII

Die Einführung des ERTMS als einheitliches Signalgebungssystem in der ganzen EU war eine strategische politische Entscheidung auf Grundlage von Arbeiten der Industrie, unter anderem der AEIF (Association européenne pour l’interopérabilité ferrovaire, eine Vereinigung von Infrastrukturbetreibern, Eisenbahnunternehmen und -zulieferern).

Nach Auffassung der Kommission war eine Gesamtkostenschätzung in der Anfangsphase nicht notwendig, da das ERTMS als System für neue Eisenbahnlinien bzw. im Falle der Einführung eines neuen Signalgebungssystems für bestehende Bahnlinien vorgeschrieben war und die Kosten für das ERTMS in diesem Fall nicht über jenen für alternative Systeme lagen.

In den vergangenen Jahren wurden wichtige Schritte unternommen, um die zentralen Fragen bezüglich der Einführung des ETCS zu lösen und ein interoperables Eisenbahnsystem zu schaffen, etwa die Stabilisierung der ERTMS-Spezifizierung (Grundlinie 3), die Annahme der technischen Säule des Vierten Eisenbahnpakets, eines realistischen Europäischen Einführungsplans und die Unterzeichnung mehrerer Absichtserklärungen mit allen Interessenträgern. Diese Errungenschaften stellen solide Komponenten für eine beschleunigte Einführung des ERTMS in Europa und die rechtzeitige Umsetzung des überarbeiteten europäischen Bereitstellungsplans dar.

IX

Die Kosten für das ERTMS, auf die manchmal verwiesen wird, umfassen verbundene Kosten (bis zu 2/3), die nicht immer unmittelbar mit dem ERTMS zusammenhängen, etwa für Stromversorgung, Hardware und Stellwerke. Die Investitionen sind Ausdruck einer allgemeinen Aufwertung der Signalinfrastruktur, mit der unter anderem Wartungsrückstände aus vergangenen Jahren aufgeholt werden, und betreffen nicht nur „ERTMS-Investitionen“. Derartige Arbeiten sind möglicherweise auch notwendig, wenn andere veraltete Signalgebungssysteme als das ERTMS ersetzt werden oder wenn Wartungsrückstände aufgeholt werden sollen. Schließlich können sich die Gesamtkosten aufgrund künftiger technologischer Entwicklungen, Skaleneffekte und verstärkten Wettbewerbs unter den ERTMS-Zulieferern im Laufe der Zeit verringern.

Siehe auch die Antwort der Kommission zu Ziffer VI.

XI

Die Kommission akzeptiert die Empfehlungen des EuRH, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betreffen, mit Ausnahme von Empfehlung 8, die teilweise akzeptiert wird.

Einführung

05

Ziel des ERTMS ist Interoperabilität; darüber hinaus umfasst es weitere Aspekte wie höchste Sicherheitsstandards und wirksame Nutzung der Infrastruktur; das ERTMS senkt die Systemkosten, da es die Entwicklung standardisierter Produkte ermöglicht.

Bemerkungen

26

Das ERTMS ist nun seit mehr als 20 Jahren am europäischen Markt verfügbar und wurde technisch und institutionell kontinuierlich weiterentwickelt.

Die europäischen Eisenbahnen haben in den späten 1980er/frühen 1990er Jahren mit der Entwicklung eines Europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- (ETCS) und Kommunikationssystems (GSM-R) begonnen.

Nach Auffassung der Kommission war eine Gesamtkostenschätzung in dieser Phase nicht notwendig, da das ERTMS als System für neue Eisenbahnlinien bzw. im Falle der Einführung eines neuen Signalgebungssystems für bestehende Bahnlinien vorgeschrieben war und die Kosten für das ERTMS in diesem Fall nicht über jenen für alternative Systeme lagen.

35

Ein umfassender Plan zur Außerbetriebsetzung von Klasse-B-Systemen kann das Migrationsverfahren deutlich beschleunigen; allerdings gibt es derzeit keine einschlägige EU-Rechtsvorschrift, die die Außerbetriebsetzung der einzelstaatlichen Systeme erzwingen könnte. Überdies würde sich das Verfahren zur Außerbetriebsetzung in größeren Mitgliedstaaten aufgrund der Größe der bestehenden Schienennetze wahrscheinlich komplexer gestalten, so dass sich diese Mitgliedstaaten der Beschließung ehrgeiziger zeitlicher Ziele stärker widersetzen würden.

Gemeinsame Antwort der Kommission zu den Ziffern 42 und 43:

Der langfristige Nutzen auf Systemebene ist vergleichbar mit dem anderer Infrastrukturprojekte.

Wirtschaftlicher Nutzen entsteht nicht nur auf Systemebene, sondern auch zugunsten einzelner Interessenträger. Die Kommission räumt allerdings ein, dass es für bestimmte Interessenträger finanziell zu einer Herausforderung kommen könnte. Dies schwankt je nach Umsetzungsszenario und ist nicht allgemein gültig.

Gemeinsame Antwort der Kommission zu den Ziffern 47 bis 55:

Die genannten Zahlen umfassen notwendige verbundene Kosten (bis zu 2/3), die nicht immer unmittelbar mit den ERTMS-Investitionen zusammenhängen, etwa für Stromversorgung, Hardware und Stellwerke. Die Investitionen sind Ausdruck einer allgemeinen Aufwertung der Signalinfrastruktur, mit der unter anderem Wartungsrückstände aus vergangenen Jahren aufgeholt werden, und betreffen nicht nur „ERTMS-Investitionen“.

50

Die Kommission merkt an, dass Dänemark und die Niederlande höhere Kosten zu tragen haben als andere Mitgliedstaaten, was vielleicht zum Teil auf die höheren Lohnkosten in diesen Ländern zurückzuführen ist.

54

Die Strategie, Fahrzeuge im Vorfeld auszustatten, dient dem Ziel, Eisenbahnstrecken einzuführen, die nur mit ERTMS betrieben werden, und Klasse-B-Systeme außer Betrieb zu setzen, und ist eine Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Ziels.

Diese Strategie wurde von allen Mitgliedstaaten gewählt, die auf ERTMS umstellen.

Wie für alle neuen Lokomotiven gelten die üblichen Bestimmungen der Interoperabilitätsrichtlinie (Abweichungen, soweit dies aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt ist) und die Technische Spezifikation für die Interoperabilität schließt ausdrücklich rein inländische Fahrzeuge aus, die nicht zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehören.

68

Der europäische Einführungsplan ist eine Durchführungsverordnung der Kommission auf Grundlage der mit der CEF-Verordnung, die u. a. Finanzierungsmöglichkeiten für die Einführung des ERTMS im Kernnetz vorsieht, und indirekt mit der Verordnung über den Kohäsionsfonds in Verbindung stehenden TEN-V-Verordnung. Zur Schätzung der Gesamtkosten führt das Managementteam für die Umsetzung eine Geschäftsanalyse der ERTMS-Einführung in Kernnetzkorridoren durch, die auch eine diesbezügliche Analyse umfasst.

70

Um die korrekte ERTMS-Umsetzung auf grenzüberschreitenden Streckenabschnitten, wo das ERTMS zu unterschiedlichen Daten umgesetzt wird, zu gewährleisten, werden von Infrastrukturbetreibern Abkommen unterzeichnet, in denen technische und betriebliche Aspekte im Vorfeld festgelegt werden.

75

Für die Kohäsionspolitik werden die technischen Merkmale von Projekten im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung gewährleistet und von den Behörden in den Mitgliedstaaten geprüft.

Hierzu ist allerdings zu sagen, dass die Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung Sachverständige für die Bewertung von Großprojekten zur Rate zieht. Diese sind entweder unabhängige Sachverständige am Markt oder Sachverständige von Jaspers (Gemeinsame Hilfe bei der Unterstützung von Projekten in europäischen Regionen). Ab Juni 2019 ist die ERA verantwortlich für die Genehmigung aller streckenseitigen Komponenten des ERTMS, sodass ab dann an einer Lösung dieses Problems gearbeitet wird.

80

Die Mittel von Projekten, bei denen die Mittelbindungen aufgehoben wurden, fließen für gewöhnlich wieder der nächsten Aufforderung zur Einreichung von Anträgen zu, die auch für andere Prioritäten als das ERTMS veröffentlicht werden. Dennoch ist das ERTMS als horizontales Ziel mit hoher Priorität immer Teil der Aufforderungen.

81

Wie in Ziffer 30 dargelegt, stammt die Verpflichtung, wonach „alle neuen Infrastruktureinrichtungen und alle neuen Fahrzeuge, die nach der Festlegung kompatibler Zugsteuerungs-, Zugsicherungs- und Signalgebungssysteme gebaut oder entwickelt werden, sich für die Verwendung dieser Systeme eignen [müssen]“, aus der Richtlinie 2001/16/EG und nicht aus der Kohäsionspolitik.

82

Gemäß der CEF berücksichtigt die Kommission bei der Anwendung ihrer Kriterien für die Auswahl von Anträgen unterschiedliche Prioritäten, insbesondere den Beitrag zu grenzüberschreitenden Abschnitten, internationalen Güterverkehr usw.

In Titel XVIII AEUV („Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt“) ist in Artikel 176 dargelegt, dass es „Aufgabe des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ist […], durch Beteiligung an der Entwicklung und an der strukturellen Anpassung“ der rückständigen Gebiete „zum Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte in der Union beizutragen“. In Artikel 177 heißt es, dass der Kohäsionsfonds „zu Vorhaben in den Bereichen Umwelt und transeuropäische Netze auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur finanziell bei[trägt]“.

Um die oben genannten Ziele zu erreichen, ist kohäsionspolitische Unterstützung auch für nicht grenzüberschreitende Abschnitte notwendig.

84

Es ist anzumerken, dass die Ausstattung der inländischen Flotte insbesondere in den frühen Phasen der Umsetzung auch eine zweckmäßige Investition ist, vor allem in Ländern, in denen der Infrastrukturaufbau auf Hochtouren läuft, aber deren Nachbarländer noch nicht ausgestattet sind.

86

Die Kommission verweist auf ihre Antwort auf Ziffer 81.

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

Gemeinsame Antwort der Kommission auf die Ziffern 88 bis 91:

Die Einführung des ERTMS als einheitliches Signalgebungssystem in der ganzen EU war eine strategische politische Entscheidung auf Grundlage von Arbeiten der Industrie, unter anderem der AEIF (Association européenne pour l’interopérabilité ferrovaire, eine Vereinigung von Infrastrukturbetreibern, Eisenbahnunternehmen und -zulieferern).

Nach Auffassung der Kommission war eine Gesamtkostenschätzung in der Anfangsphase nicht notwendig, da das ERTMS als System für neue Eisenbahnlinien bzw. im Falle der Einführung eines neuen Signalgebungssystems für bestehende Bahnlinien vorgeschrieben war und die Kosten für das ERTMS in diesem Fall nicht über jenen für alternative Systeme lagen.

Die genannten Zahlen umfassen notwendige verbundene Kosten (bis zu 2/3), die nicht immer unmittelbar mit den ERTMS-Investitionen zusammenhängen, etwa für Stromversorgung, Hardware und Stellwerke. Die Investitionen sind Ausdruck einer allgemeinen Aufwertung der Signalinfrastruktur, mit der unter anderem Wartungsrückstände aus vergangenen Jahren aufgeholt werden, und betreffen nicht nur „ERTMS-Investitionen“. Derartige Arbeiten sind möglicherweise auch notwendig, wenn andere veraltete Signalgebungssysteme als das ERTMS ersetzt werden oder wenn Wartungsrückstände aufgeholt werden sollen. Schließlich können sich die Gesamtkosten aufgrund künftiger technologischer Entwicklungen, Skaleneffekte und verstärkten Wettbewerbs unter den ERTMS-Zulieferern im Laufe der Zeit verringern.

Wirtschaftlicher Nutzen entsteht nicht nur auf Systemebene, sondern auch zugunsten einzelner Interessenträger. Die Kommission räumt allerdings ein, dass es für bestimmte Interessenträger finanziell zu einer Herausforderung kommen könnte. Dies schwankt je nach Umsetzungsszenario und ist nicht allgemein gültig.

Die Kommission stellt fest, dass der Zeitrahmen für die Erzielung des Nutzens auf Systemebene vergleichbar mit anderen Infrastrukturprojekten ist.

Empfehlung 1 – Bewertung der Kosten für die ERTMS-Einführung

Die Kommission akzeptiert die nachfolgend aufgeführte Empfehlung des EuRH, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.

Aufbauend auf der Vorlage der nationalen Umsetzungspläne der nationalen Kosten-Nutzen-Analysen und der Arbeit zu den ERTMS-Geschäftsmodellen von DMT wird die Kommission eine Kostenschätzung auf Grundlage dieser Unterlagen vorlegen.

Empfehlung 2 – Außerbetriebsetzung der nationalen Signalgebungssysteme

Die Kommission stimmt dieser Empfehlung zu.

Zunächst wird sie in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf Grundlage der vorgelegten nationalen Umsetzungspläne zeitliche Vorgaben für die Außerbetriebsetzung festlegen, um schließlich Einvernehmen in Bezug auf rechtlich verbindliche Fristen zu erzielen. Ob diese Daten rechtlich verbindlich werden, hängt von den vor dem Legislativvorschlag zu unternehmenden Schritten (insbesondere der Folgenabschätzung) sowie von der Zustimmung des Gesetzgebers ab.

Empfehlung 3 – Wirtschaftliche Rentabilität für einzelne Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen

Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.

Empfehlung 4 – Kompatibilität und Stabilität des Systems
  1. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.
  2. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.
  3. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft, und wird mit der Industrie zusammenarbeiten, um die Nutzung eines von der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (CER) entworfenen gemeinsamen Ausschreibungsmusters mit Schwerpunkt Bordgeräte einfacher zu gestalten.
  4. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.
Empfehlung 5 – Rolle und Ressourcen der ERA

Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.

Empfehlung 6 – Angleichung der nationalen Bereitstellungspläne, Überwachung und Durchsetzung
  1. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie hiervon betroffen ist, und wird sie insbesondere im Rahmen der Arbeit des Europäischen Koordinators umsetzen; allerdings finden förmliche Verhandlungen zur Umsetzung des europäischen Bereitstellungsplans nach 2023 erst 2021 statt.
  2. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft, und wird sie wie unten beschrieben umsetzen.

Für das Kernnetz legt die Kommission Meilensteine fest, um eine detaillierte Überwachung einzelner Streckenabschnitte bis 2023 gemäß dem europäischen Bereitstellungsplan zu ermöglichen. Bis 2023 wird voraussichtlich ein neuer europäischer Bereitstellungsplan angenommen, in dem die Umsetzung der verbleibenden Streckenabschnitte des Kernnetzes bis 2030 geregelt ist.

Die Kommission wird die in den nationalen Umsetzungsplänen enthaltenen Bereitstellungspläne als Grundlage für eine längerfristige, weitergefasste Umsetzung berücksichtigen.

92

Die Kommission ist der Auffassung, dass die Zuweisung der Finanzmittel gemäß den Zielen und Prioritäten der verschiedenen Instrumente und Programme erfolgt.

Die Kommission hat einen europäischen Bereitstellungsplan und einen ausführlichen ERTMS-Aktionsplan eingeführt, um sicherzustellen, dass die ERTMS-Einführung fortlaufend unterstützt wird (in Form von Finanzhilfen, Misch- und langfristiger Finanzierung), insbesondere die Komponenten mit dem höchsten Mehrwert für die EU (grenzüberschreitende Streckenabschnitte und Bordgeräte) sowie für die Kohäsionsländer, um eine erfolgreiche Koordinierung zu ermöglichen, die Vorteile der ERTMS-Einführung voll auszuschöpfen und die Kosten zugleich möglichst niedrig zu halten.

Empfehlung 7 – Inanspruchnahme von EU-Mitteln für ERTMS-Projekte

Die Kommission akzeptiert die Empfehlung und merkt an, dass sie ihre Verfahren zur Finanzierung der CEF anpasst, soweit dies innerhalb des derzeitigen Rechtsrahmens einschließlich der Haushaltsordnung möglich ist.

Empfehlung 8 – Gezieltere Ausrichtung von EU-Förderung
  1. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung teilweise, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.

    Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung in Bezug auf die Finanzierung der CEF und merkt an, dass sie bei der Anwendung ihrer Kriterien für die Auswahl von Anträgen unterschiedliche Prioritäten, insbesondere den Beitrag zu grenzüberschreitenden Abschnitten, internationalen Güterverkehr usw. berücksichtigt.

    Was die Kohäsionspolitik anbelangt, so ist in Titel XVIII AEUV („Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt“) in Artikel 176 dargelegt, dass es „Aufgabe des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ist […], durch Beteiligung an der Entwicklung und an der strukturellen Anpassung“ der rückständigen Gebiete „zum Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte in der Union beizutragen“. In Artikel 177 heißt es, dass der Kohäsionsfonds „zu Vorhaben in den Bereichen Umwelt und transeuropäische Netze auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur finanziell bei[trägt]“.

    Um die oben genannten Ziele zu erreichen, ist kohäsionspolitische Unterstützung auch für nicht grenzüberschreitende Abschnitte sowie das TEN-V-Kernnetz notwendig. Daher akzeptiert die Kommission die Empfehlung für die Kohäsionspolitik nicht.

  2. Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung teilweise, soweit sie ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.

    Die Kommission akzeptiert diese Empfehlung in Bezug auf die Finanzierung der CEF und merkt an, dass sie bei der Anwendung ihrer Kriterien für die Auswahl von Anträgen unterschiedliche Prioritäten, insbesondere den Beitrag zu grenzüberschreitenden Abschnitten, internationalen Güterverkehr usw. berücksichtigt.

    Die Kommission akzeptiert die Empfehlung für die Kohäsionspolitik nicht und verweist auf ihre Antwort zur Empfehlung 8 a).

Glossar

Baseline: Ein stabiler Kern von Systemfunktionen, Leistungs- und sonstigen, nicht funktionellen Merkmalen.

Benannte Stelle: Eine von einem Mitgliedstaat benannte Stelle, die die Konformität von Teilsystemen mit technischen Spezifikationen für die Interoperabilität prüft und EG-Prüfbescheinigungen ausstellt. Dieser Auftrag der benannten Stelle erstreckt sich über den gesamten Zeitraum, von der Planung über den Bau bis hin zur Abnahme vor Inbetriebnahme des Teilsystems.

Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ERA): Einstmals Europäische Eisenbahnagentur, eingerichtet im Jahr 2004 mit dem Ziel, die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität, einschließlich des ERTMS, zu entwickeln und zum reibungslosen Funktionieren eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums ohne Grenzen beizutragen. Hauptaufgaben der ERA sind die Angleichung, Registrierung und Überwachung der technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) auf dem gesamten europäischen Eisenbahnnetz und die Festlegung gemeinsamer Sicherheitsstandards für die europäischen Eisenbahnen. Die ERA selbst verfügt nicht über Entscheidungsbefugnisse, unterstützt aber die Kommission dabei, Vorschläge für Entscheidungen auszuarbeiten.

Eisenbahnunternehmen: Ein nach dem geltenden EU-Recht zugelassener öffentlich-rechtlicher oder privater Bahnbetreiber, dessen Haupttätigkeit im Erbringen von Dienstleistungen zur Beförderung von Gütern und/oder Personen auf der Schiene besteht. Im vorliegenden Bericht bezieht sich der Begriff auch auf Flottenbesitzer wie Leasinggesellschaften für Schienenfahrzeuge.

Etablierter Betreiber: Der Bahnbetreiber mit historisch gewachsener Vorrangstellung auf dem nationalen Markt, hervorgegangen aus einem einzigen integrierten Unternehmen, das für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur und für die Bereitstellung von Verkehrsdiensten verantwortlich war.

Europäische Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds): Die ESI-Fonds bestehen aus fünf Einzelfonds, mit denen regionale Ungleichgewichte innerhalb der Union abgebaut werden sollen. Die politischen Rahmenvorgaben sind für den siebenjährigen Haushaltszeitraum festgelegt. Es handelt sich um den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (ESF), den Kohäsionsfonds (KF), den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF).

Europäischer Bereitstellungsplan (EDP): Ein Dokument, das 2009 endgültig beschlossen und in die Entscheidung der Kommission 2009/561/EG über die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität aufgenommen wurde. Ziel des EDP ist es, “schrittweise dafür zu sorgen, dass mit ERTMS ausgerüstete Lokomotiven, Triebwagen und andere Schienenfahrzeuge eine zunehmende Zahl von Strecken, Häfen, Terminals und Rangieranlagen befahren können, ohne neben dem ERTMS noch zusätzliche nationale Ausrüstungen zu benötigen.”

Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE): Ziel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ist die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Europäischen Union durch den Ausgleich der stärksten regionalen Ungleichgewichte im Wege der finanziellen Unterstützung für die Schaffung von Infrastrukturen sowie für produktive, beschäftigungswirksame Investitionen, insbesondere zugunsten von Unternehmen.

Europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS): Ein europäisches industrielles Großprojekt, mit dem die unterschiedlichen nationalen Systeme der Zugsteuerung/Zugsicherung ersetzt werden sollen. Es umfasst zwei Basiskomponenten: ein automatisches Zugsicherungssystem (ATP), nämlich das Europäische Zugsicherungs-/Zugsteuerungssystem (ETCS), das die bestehenden nationalen ATP-Systeme ersetzt, sowie ein Funksystem, das Sprach- und Datenkommunikation zwischen Strecke und Fahrzeug ermöglicht und Standard-GSM-Technologie nutzt, die jedoch ausschließlich dem Eisenbahnverkehr vorbehalten ist (GSM-R).

Exekutivagentur für Innovation und Netze (INEA): Die Exekutivagentur für Innovation und Netze (INEA) ist die Nachfolgerin der Exekutivagentur für das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-T EA), die 2006 von der Europäischen Kommission eingerichtet wurde, um die technische und finanzielle Umsetzung des TEN-V-Programms zu verwalten. Die INEA, mit Hauptsitz in Brüssel, nahm ihre Tätigkeit offiziell am 1. Januar 2014 mit dem Ziel auf, Teile der Fazilität “Connecting Europe” (CEF), des Rahmenprogramms Horizont 2020 und anderer bereits etablierter Programme (TEN-V und Marco Polo 2007-2013) umzusetzen.

Fazilität “Connecting Europe” (CEF): Über die Fazilität “Connecting Europe” (CEF) wird seit 2014 finanzielle Unterstützung für die drei Sektoren Energie, Verkehr sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bereitgestellt. Im Rahmen der CEF werden für diese drei Bereiche Investitionsprioritäten bestimmt, die im kommenden Jahrzehnt umzusetzen sind, wie Strom- und Gaskorridore, die Nutzung erneuerbarer Energien, miteinander verbundene Verkehrskorridore und sauberere Verkehrsträger, Hochgeschwindigkeits-Breitbandverbindungen und digitale Vernetzung.

Infrastrukturbetreiber: Einrichtung oder Unternehmen mit Zuständigkeit insbesondere für die Einrichtung, Verwaltung und Instandhaltung der Eisenbahninfrastruktur.

Interoperabilität: Interoperabilität wird definiert als die Fähigkeit der Züge, auf allen Abschnitten des Eisenbahnnetzes zu fahren, d. h. die unterschiedlichen Eisenbahnsysteme in der EU durchgängig nutzen zu können.

Kohäsionsfonds: Der Kohäsionsfonds dient der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts innerhalb der Europäischen Union durch Finanzierung von Umwelt- und Verkehrsprojekten in Mitgliedstaaten mit einem Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt von weniger als 90 % des Unionsdurchschnitts.

Signalgebungssystem: Ein System, das verwendet wird, um den Eisenbahnverkehr sicher zu steuern und dafür zu sorgen, dass Züge sich zu keiner Zeit in die Quere kommen.

Transeuropäische Verkehrsnetze (TEN-V): Eine Auswahl festgelegter Straßen-, Schienen-, Luft- und Wasserverkehrsnetze in Europa. Die TEN-V-Netze sind Teil eines umfassenderen Systems von transeuropäischen Netzen (TEN), zu denen auch ein Telekommunikationsnetz (eTEN) und ein vorgeschlagenes Energienetz (TEN-E) gehören. Der Ausbau der Infrastruktur für TEN-V ist eng mit der Umsetzung und Weiterentwicklung der EU-Verkehrspolitik verknüpft.

Endnoten

1 Sonderbericht Nr. 8/2016 “Der Schienengüterverkehr in der EU: noch nicht auf dem richtigen Kurs” (http://eca.europa.eu).

2 Sonderbericht Nr. 6/2005 zum transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN-V) (http://eca.europa.eu).

3 Sonderbericht Nr. 8/2010 “Verbesserung der Verkehrsleistung auf den transeuropäischen Eisenbahnachsen: Waren die EU-Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur wirksam?” (http://eca.europa.eu).

4 Die beiden Hauptkomponenten des ERTMS sind das Europäische Zugsicherungs-/Zugsteuerungssystem (ETCS), das streckenseitig in Form einer Balise zum Einsatz kommt, und das Globale Mobilfunk-Kommunikationssystem für Eisenbahnen (GSM-R), ein Funksystem, das Sprach- und Datenkommunikation zwischen Strecke und Fahrzeug ermöglicht. Im vorliegenden Bericht wird der Begriff “ERTMS” verwendet, auch wenn in manchen Fällen ausschließlich auf ETCS-Ausrüstung Bezug genommen wird.

5 Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems (ABl. L 235 vom 17.9.1996, S. 6).

6 Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems (ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 1).

7 Seit dem 15. Juni 2016 Eisenbahnagentur der Europäischen Union (Verordnung (EU) 2016/796 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Eisenbahnagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 1)).

8 Beschluss K(2005) 2754 vom 20. Juli 2005 zur Benennung von sechs Europäischen Koordinatoren bestimmter Vorhaben im Rahmen des transeuropäischen Verkehrsnetzes.

9 Gemäß Artikel 3 der Entscheidung 2006/679/EG der Kommission vom 28. März 2006 über die Technische Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) zum Teilsystem “Zugsteuerung/Zugsicherung und Signalgebung” des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems (ABl. L 284 vom 16.10.2006, S. 1) erstellten die Mitgliedstaaten einen nationalen Umsetzungsplan für die TSI des Teilsystems Zugsteuerung/Zugsicherung und Signalgebung und übermittelten diesen Umsetzungsplan der Kommission.

10 Entscheidung 2009/561/EG der Kommission vom 22. Juli 2009 zur Änderung der Entscheidung 2006/679/EG hinsichtlich der Umsetzung der technischen Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) des Teilsystems Zugsteuerung/Zugsicherung und Signalgebung des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems (ABl. L 194 vom 25.7.2009, S. 60).

11 Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU (ABl. L 348 vom 20.12.2013, S. 1).

12 Folgende drei Texte, welche die technische Säule des Vierten Eisenbahnpakets bilden, wurden am 26. Mai 2016 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht: Richtlinie (EU) 2016/797 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union (Neufassung) (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 44); Richtlinie (EU) 2016/798 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Eisenbahnsicherheit (Neufassung), (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 102) und Verordnung (EU) 2016/796 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Eisenbahnagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 (ABl. L 138 vom 26.5.2016, S. 1).

13 Durchführungsverordnung (EU) 2017/6 der Kommission vom 5. Januar 2017 über den europäischen Bereitstellungsplan für das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ABl. L 3 vom 6.1.2017, S. 6).

14 Beschluss Nr. 661/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (Neufassung) (ABl. L 204 vom 5.8.2010, S. 1).

15 Verordnung (EU) Nr. 1316/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Schaffung der Fazilität “Connecting Europe”, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 913/2010 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 680/2007 und (EG) Nr. 67/2010 (ABl. L 348 vom 20.12.2013, S. 129).

16 Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1783/1999 (ABl. L 210 vom 31.7.2006, S. 1).

17 Verordnung (EG) Nr. 1084/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 zur Errichtung des Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 (ABl. L 210 vom 31.7.2006, S. 79).

18 Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

19 Verordnung (EU) Nr. 642/2014 des Rates vom 16. Juni 2014 zur Errichtung des Gemeinsamen Unternehmens Shift2Rail (ABl. L 177 vom 17.6.2014, S. 9).

20 KOM(2011) 144 endgültig vom 28. März 2011, Weißbuch - Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem.

21 Im Jahr 2000 wurden lediglich beschränkte Analysen für Hochgeschwindigkeitsstrecken von der Europäischen Vereinigung für die Interoperabilität im Bereich der Bahn (AEIF) durchgeführt.

22 Für die vollständige streckenseitige Inbetriebnahme des ERTMS beschränken sich die von den Infrastrukturbetreibern zu tragenden Gesamtkosten nicht unbedingt auf die Kosten für Ausrüstung und Installation. Vielmehr kann die Umstellung von einem voll funktionsfähigen nationalen Signalgebungssystem auf ein voll funktionsfähiges ERTMS-System auch Kosten für andere verbundene Arbeiten mit sich bringen.

23 Beschluss 2012/88/EU der Kommission vom 25. Januar 2012 über die Technische Spezifikation für die Interoperabilität der Teilsysteme “Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung” des transeuropäischen Eisenbahnsystems (ABl. L 51 vom 23.2.2012, S. 1).

24 Die Mitgliedstaaten sollten die vorläufigen Termine für die Außerbetriebsetzung der nationalen Systeme auf den verschiedenen Strecken des Netzes angeben. Die Angabe dieser Termine ist nicht vorgeschrieben, wenn nicht geplant ist, die nationalen Systeme innerhalb von 15 Jahren außer Betrieb zu setzen (Verordnung (EU) 2016/919 der Kommission vom 27. Mai 2016 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität der Teilsysteme “Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung” des Eisenbahnsystems in der Europäischen Union (ABl. L 158 vom 15.6.2016, S. 1)).

25 “Business case on the nine core network corridors”, Juli 2016, erstellt von EY und INECO für die Europäische Kommission.

26 “Study to develop tailor-made solutions for use of innovative financing to support deployment of ETMS, in particular along nine core network corridors" (November 2015) und “Business case report on the 9 core network corridors”, Juli 2016.

27 Die überarbeiteten TSI für fahrzeugseitige und streckenseitige Teilsysteme “Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung” wurden durch die am 15. Juni 2016 veröffentlichte Verordnung (EU) Nr. 2016/919 der Kommission angenommen. Darin wird Baseline 3 Release 2 als aktueller Standard festgelegt. Allerdings treten noch immer Systemfehler und Funktionsstörungen auf, die es zu beheben gilt.

28 Dieses basierte auf vier Grundsätzen: 1) “Benutzer zuerst” und nicht “Designer zuerst”; 2) standardisierte fahrzeugseitige Ausrüstung; 3) volle Priorität für und Fokussierung auf die Einführung und 4) Senkung der ERTMS-Systemkosten.

29 Durchführungsverordnung (EU) 2017/6 der Kommission.

30 Zusätzlich zu speziell auf das ERTMS ausgerichteten Projekten können ERTMS-Komponenten auch im Rahmen größerer Eisenbahnprojekte durch die CEF kofinanziert werden. Entsprechende Mittelzuweisungen an das ERTMS beliefen sich 2014 auf 56,5 Millionen Euro und 2015 auf 37,8 Millionen Euro.

31 Im Zeitraum 2014-2020 beläuft sich die aus den ESI-Fonds bereitgestellte Förderung für den Schienenverkehr auf 18,7 Milliarden Euro, von denen rund 10 % bzw. 1,9 Milliarden Euro der ERTMS-Einführung zugutekommen würden.

32 Während des Programmplanungszeitraums 2007-2013 gab es fünf spezifische ERTMS-Aufforderungen mit einem Gesamtmittelvolumen von rund 770 Millionen Euro. Allerdings wurden nur 645 Millionen Euro zugewiesen, da einige Maßnahmen von den Begünstigten beendet worden waren, noch bevor die Entscheidung der Kommission ergangen war.

33 Diese Zahlen können sich je nach dem Ausgang noch laufender Abschlusszahlungsverfahren für TEN-V-Maßnahmen, die während des Finanzrahmens 2007-2013 zur Finanzierung ausgewählt wurden, noch ändern.

Verfahrensschritt Datum
Annahme des Prüfungsplans/Prüfungsbeginn 20.4.2016
Offizielle Übermittlung des Berichtsentwurfs an die Kommission (oder eine andere geprüfte Stelle) 29.5.2017
Annahme des endgültigen Berichts nach Abschluss des kontradiktorischen Verfahrens 12.7.2017
Eingang der offiziellen Antworten der Kommission (oder einer anderen geprüften Stelle) in allen Sprachen 2.8.2017

Prüferteam

Die Sonderberichte des Hofes enthalten die Ergebnisse seiner Prüfungen zu Politiken und Programmen der Europäischen Union oder zu Fragen des Finanzmanagements in Verbindung mit spezifischen Haushaltsbereichen. Bei der Auswahl und Gestaltung dieser Prüfungsaufgaben ist der Hof darauf bedacht, maximale Wirkung dadurch zu erzielen, dass er die Risiken für die Wirtschaftlichkeit oder Compliance, die Höhe der betreffenden Einnahmen oder Ausgaben, künftige Entwicklungen sowie das politische und öffentliche Interesse abwägt.

Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde von Prüfungskammer II - Ausgabenbereiche “Investitionen für Kohäsion, Wachstum und Integration” - unter Vorsitz von Iliana Ivanova, Mitglied des Hofes, durchgeführt. Die Prüfung stand unter der Leitung von Ladislav Balko, Mitglied des Hofes. Herr Balko wurde unterstützt von seinem Kabinettchef Branislav Urbanič, dem Leitenden Manager Pietro Puricella sowie dem Aufgabenleiter Fernando Pascual Gil. Zum Prüferteam gehörten Aleksandra Klis-Lemieszonek, Nils Odins, Christian Wieser, Valeria Rota und Guido Fara.

Von links nach rechts: Aleksandra Klis-Lemieszonek, Fernando Pascual Gil, Ladislav Balko, Branislav Urbanič, Pietro Puricella, Nils Odins.

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Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2017

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